Mittwoch, 12. April 2017
Die Durchführung II (8)
Ein zentrales Problem bei der Anfertigung von künstlerischen Sprachprodukten bietet die Umgangssprache, die der Duden in mehreren Bänden breitflächig dokumentierte. Mit dem Wort ‚Umgangssprache‘ beziehe ich mich auf alle Formen, die gesellschaftlich von Relevanz sind, gleichgültig ob sie als ‚Hochformen‘ etabliert wurden, oder lediglich regional nachweisbar sind. Sprachlich ist die Unterscheidung unerheblich, weil sie lediglich auf Konventionen beruht. Wissenschaftlich als auch künstlerisch sind aber keine sozialen Konventionen interessant, sondern Argumente und Einfallsreichtum. Otto Neurath hatte auf die erforderliche Eigenleistung hingewiesen: „Wie Schiffer sind wir, die ihr Schiff auf offener See umbauen müssen, ohne es jemals in einem Dock zerlegen und aus besten Bestandteilen neu errichten zu können.“ (Vgl. Neurath, O., 1932/33, S.206.) Sprache ist zwar sozial entstanden, deshalb muss sie jedoch nicht geheiligt und angebetet werden, noch wäre eine wissenschaftliche Ideal-Sprache bildbar.
Aus dichterischer Perspektive hatte Ingeborg Bachmann mit der Umgangssprache gehadert. In ihren „Frankfurter Vorlesungen“ gab sie kund: „Das Vertrauensverhältnis zwischen Ich und Sprache und Ding ist schwer erschüttert.“ (Vgl. Bachmann, I., 1982, S.12.) Auch sie präferierte sprachlich eine alternative Ausrichtung: „Mit einer neuen Sprache wird der Wirklichkeit immer dort begegnet, wo ein moralischer, erkenntnishafter Ruck geschieht, und nicht, wo man versucht, die Sprache an sich neu zu machen“ (vgl. ebd. S.16.)
Neuraths als auch Bachmanns Orientierungen setzen sich (a) von konzeptionellen Sprach-Idealen ab, (b) von der land- bzw. stadtläufigen Umgangssprache.

Ich möchte dazu ein simples Beispiel anführen: umgangssprachlich ist es üblich, Sprache als auch Dinge etwas bedeuten zu lassen. Eine sprachliche Bedeutung ist in vielen Fällen nichts weiter als die Erläuterung eines Bezugs, falls ein Bezug vorliegt. Dinge können sich jedoch nicht auf etwas beziehen, sie haben allenfalls eine Relevanz, z.B. eine kausale oder assoziative. Dinge sind nicht in logische Relationen verwickelt, sondern in kausale, Worte hingegen primär in logische. Einander widersprechende Angaben in einem Text würde kein philosophischer Essay, allerdings auch keine Dichtung vertragen.

Literatur:

Bachmann, I., 1982, Frankfurter Vorlesungen: Probleme zeitgenössischer Dichtung, München / Zürich.
Neurath, O., 1932/33, Protokollsätze, in: Erkenntnis, Band 3, 1932/33.

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