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Sonntag, 12. Juli 2015
„Storming“ - Szene 3 (Nebenszene) - Gespräch
mark ammern, 11:18h
Ort: Vorbühne (Seiten- bzw. Hinterhof)
Ausstattung: regional übliche Mülleimer, schwarz ausgehangen (oder mit gemalten Hauswänden, falls die Zeit einen Wechsel erlaubt)
Beteiligte: Personen 2-3
Person 3 (männlich):
Geht es besser?
Person 2 (weiblich):
[Sie atmet durch.] Bald.
Person 3 (männlich):
Was ist geschehen?
Person 2 (weiblich):
[Sie atmet erneut durch.] Ich weiß nicht. Ich bekam plötzlich keine Luft. [Sie atmet erneut durch.]
[Schweigen]
Person 2 (weiblich):
Ich habe eine Frage. Du hattest von den Wirtschaftskrisen im 20. Jhd. gesprochen. [Sie atmet erneut durch.] Wahrscheinlich ist das Platzen der Finanzblasen am Anfang des 21. Jhds. ebenfalls einzubeziehen. Der Vorwurf der Metaphysik kritisiert vermutlich die mangelhafte Erklärbarkeit durch die Standard-Ökonomie. [Sie atmet erneut durch.] Zig Faktoren wurden nicht berücksichtigt … Aber was kommt nun auf uns zu? Und wie hängt dies mit den Krisen zusammen? Ich erinnerte mich an die alte Zauberformel: ‚Ceteris paribus‘! Die fiel mir in diesem mittelalterlichen Kontext ein: ‚unter gleichbleibenden Bedingungen‘. [Zu ihm gewandt:] Richtig? [Er nickt und lächelt dabei.]
Person 3 (männlich):
Genau, es war ein großes ökonomisches Problem, viele relevante Faktoren nicht in die Berechnungen einbeziehen zu können, deshalb, wie du formulierst, diese Zauberformel. Sie ließ draußen, was sich nicht integrieren ließ. [Er grinst.] Ein Schutzzauber.
Nun lässt sich die Reaktion aus dem neoliberalen Lager auf die Krisen und die Vorwürfe absehen: Was nicht passt, wird passend gemacht!
[Schweigen]
Person 2 (weiblich):
[Sie atmet erneut durch.] Dann haben wir derzeit keine Chance das Mittelalter zu verlassen, und es gibt keine Aussicht auf … ?
Person 3 (männlich):
Ich würde sagen, wir steuern auf ein Reich Gottes zu, die neoliberale Utopie!
Person 2 (weiblich):
[Sie schüttelt auffallend heftig den Kopf - atmet erneut durch.] Das ist doch Wahnsinn?!
Person 3 (männlich):
Nicht wahnsinniger als vieles andere, das Menschen im Laufe der Vergangenheit angestellt haben.
[Schweigen]
Person 3 (männlich):
Ich erinnere mich im Vorfeld des Bologna-Prozesses und einer öffentlichen Zur-Schau-Stellung von ‚Lebenslangem Lernen‘ an viele Institutionen und Institute, die an der Maginalisierung von Bildung mitarbeiteten: an der Zerlegung alter Bestände in Häppchen, um die anzugehende Verschulung, die sich ja auf ein ganzes Leben verteilen ließ, zu erleichtern. Das war ein Schock für mich! Das Studium sollte nur noch eine schmale Basis für ein späteres privates Engagement bilden, privat finanziert. Und dennoch verstand ich damals nicht, ich war wohl noch zu jung, die Relevanz. Bildung war ein zentrales Thema der privatwirtschaftlich orientierten Revolutionäre.
Die Revolution war und ist viel breiter angelegt, als man glauben möchte. Sie betrifft fast alle gesellschaftlichen Bereiche …
Person 1 (männlich):
[Er kommt hinzu.] Gehts euch gut? [Sie amtet erneut durch, er nickt.] Ihr werdet bereits vermisst. Wollt ihr nicht wieder zu uns stoßen?
[Person 1 geht schweigend vor.]
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Hier geht es zur Szene 4: http://markammern.blogger.de/stories/2516609/
Ausstattung: regional übliche Mülleimer, schwarz ausgehangen (oder mit gemalten Hauswänden, falls die Zeit einen Wechsel erlaubt)
Beteiligte: Personen 2-3
Person 3 (männlich):
Geht es besser?
Person 2 (weiblich):
[Sie atmet durch.] Bald.
Person 3 (männlich):
Was ist geschehen?
Person 2 (weiblich):
[Sie atmet erneut durch.] Ich weiß nicht. Ich bekam plötzlich keine Luft. [Sie atmet erneut durch.]
[Schweigen]
Person 2 (weiblich):
Ich habe eine Frage. Du hattest von den Wirtschaftskrisen im 20. Jhd. gesprochen. [Sie atmet erneut durch.] Wahrscheinlich ist das Platzen der Finanzblasen am Anfang des 21. Jhds. ebenfalls einzubeziehen. Der Vorwurf der Metaphysik kritisiert vermutlich die mangelhafte Erklärbarkeit durch die Standard-Ökonomie. [Sie atmet erneut durch.] Zig Faktoren wurden nicht berücksichtigt … Aber was kommt nun auf uns zu? Und wie hängt dies mit den Krisen zusammen? Ich erinnerte mich an die alte Zauberformel: ‚Ceteris paribus‘! Die fiel mir in diesem mittelalterlichen Kontext ein: ‚unter gleichbleibenden Bedingungen‘. [Zu ihm gewandt:] Richtig? [Er nickt und lächelt dabei.]
Person 3 (männlich):
Genau, es war ein großes ökonomisches Problem, viele relevante Faktoren nicht in die Berechnungen einbeziehen zu können, deshalb, wie du formulierst, diese Zauberformel. Sie ließ draußen, was sich nicht integrieren ließ. [Er grinst.] Ein Schutzzauber.
Nun lässt sich die Reaktion aus dem neoliberalen Lager auf die Krisen und die Vorwürfe absehen: Was nicht passt, wird passend gemacht!
[Schweigen]
Person 2 (weiblich):
[Sie atmet erneut durch.] Dann haben wir derzeit keine Chance das Mittelalter zu verlassen, und es gibt keine Aussicht auf … ?
Person 3 (männlich):
Ich würde sagen, wir steuern auf ein Reich Gottes zu, die neoliberale Utopie!
Person 2 (weiblich):
[Sie schüttelt auffallend heftig den Kopf - atmet erneut durch.] Das ist doch Wahnsinn?!
Person 3 (männlich):
Nicht wahnsinniger als vieles andere, das Menschen im Laufe der Vergangenheit angestellt haben.
[Schweigen]
Person 3 (männlich):
Ich erinnere mich im Vorfeld des Bologna-Prozesses und einer öffentlichen Zur-Schau-Stellung von ‚Lebenslangem Lernen‘ an viele Institutionen und Institute, die an der Maginalisierung von Bildung mitarbeiteten: an der Zerlegung alter Bestände in Häppchen, um die anzugehende Verschulung, die sich ja auf ein ganzes Leben verteilen ließ, zu erleichtern. Das war ein Schock für mich! Das Studium sollte nur noch eine schmale Basis für ein späteres privates Engagement bilden, privat finanziert. Und dennoch verstand ich damals nicht, ich war wohl noch zu jung, die Relevanz. Bildung war ein zentrales Thema der privatwirtschaftlich orientierten Revolutionäre.
Die Revolution war und ist viel breiter angelegt, als man glauben möchte. Sie betrifft fast alle gesellschaftlichen Bereiche …
Person 1 (männlich):
[Er kommt hinzu.] Gehts euch gut? [Sie amtet erneut durch, er nickt.] Ihr werdet bereits vermisst. Wollt ihr nicht wieder zu uns stoßen?
[Person 1 geht schweigend vor.]
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Samstag, 11. Juli 2015
„Storming“ - Szene 2 - Gespräch - Teile 1-2
mark ammern, 14:38h
Ausstattung zu Beginn: Tisch, 3 Stühle, 3 Gläser, einige Flaschen, schwarz ausgehangen, ein Stuhl und ein Glas kommen hinzu.
Beteiligte: Personen 1-4
1/
[Nach Schweigen (und Herumhantieren)]
Person 4 (männlich) [hereinkommend]:
Da seid ihr ja, ihr Aliens! Es war gar nicht einfach, euch zu finden. Und was ist das hier? [Er blickt und zeigt durch den Raum.]
Person 1 (männlich):
Hol dir erstmal einen Stuhl von vorne ...
Person 2 (weiblich):
Und ein Glas ...
Person 4 (männlich):
Wo bin ich hier gelandet? Was für ein Hintersaal. Hier könnte man Theater spielen, würde man es drauf ankommen lassen ...
Person 3 (männlich):
Besorg dir erstmal Stuhl und Glas.
[Er holt sich einen Stuhl und ein Glas von draußen und setzt sich zu den anderen.]
Person 4 (männlich):
Ist das ein ehemaliger Theatersaal? Oder das, was davon übrig blieb? Wird der nicht genutzt?
Person 2 (weiblich):
Fehlender Brandschutz, kaputte Heizung und ... wir mussten unterschreiben, den Raum auf eigene Verantwortung zu betreten.
Person 4 (männlich):
Ooch, erstaunlich [er blickt erneut durch den Raum], ist doch angenehm hier!
Person 2 (weiblich):
Deine Unterschrift fehlt noch. [Sie schiebt ihm den Zettel zu.]
Person 4 (männlich):
[Er liest die Vereinbarung] Und ihr seid euch sicher, dass wir den Abend überleben? [Er schaut auf.]
Person 3 (männlich):
Unterschreib endlich.
Person 4 (männlich):
Hat jemand einen Stift? [Er blickt in die Runde]
Person 2 (weiblich):
[Sie schiebt ihm noch einen Stift hinterher.]
Person 4 (männlich):
Danke. [Er unterschreibt.] Ist das rechtens?
Person 1 (männlich):
Völlig egal. Ohne diesen Zettel und unsere Krakel hätte man uns nicht hineingelassen.
Person 4 (männlich):
Hätte ein Tisch vorne nicht gereicht? Weshalb musste es dieser Raum sein?
Person 3 (männlich):
Die Ruhe! Es ist nur unser Geklapper und Geplapper zu hören. Das war es uns wert. Nicht einmal irgendeine Kneipenmusik.
Person 2 (weiblich):
Kannst du noch ein paar Flaschen besorgen? Inzwischen kennst du ja den Weg.
Person 4 (männlich):
Von diesem Zeug? [Er steht auf, bleibt am Ausgang kurz stehen] Hab ich auch wegen dieser Flaschen unterschieben? [Geht und kommt mit einigen Flaschen zurück, postiert sie zu den anderen auf dem Tisch.]
[Schweigen]
Person 3 (männlich):
[Zu Person 4 gewandt:] Danke, dass auch du gekommen bist. [Zur Runde gerichtet:] Jetzt sind wir alle beisammen. Auch einen Dank an euch. Ich wollte dieses Treffen, um zu fragen, ob jemandem angesichts der neoliberalen Revolution, die nicht bloß eine ökonomische ist, sondern eine gesellschaftliche, etwas einfällt, etwas, das man tun kann.
[Schweigen]
Person 2 (weiblich):
Ich kann das Wort nicht mehr hören, ‚neoliberal‘. Beobachtet man die öffentliche Diskussion, handelt es sich um nicht mehr als um eine ständig wiederholte Floskel. [Zu Person 3 gewandt:] Weißt du mehr?
Person 3 (männlich):
Im Grunde ist es einfach, wobei man über mögliche Bedeutungsanklänge der Vokabel kein Aufhebens machen sollte. Die allgemeine Ausrichtung gilt dem privatwirtschaftlichen Engagement und ist gegen einen aktiven Staat gerichtet. Alles und jedes wird unter marktwirtschaftlichen Kriterien betrachtet und berechnet. Das vereinfacht die Sichtweise, reduziert den Wert eines Engagements letztlich auf die Resultate der Buchhaltung und lässt eventuell mittelfristig die Steuerlast der wirtschaftlich Erfolgreichen senken. Keine Sachfragen mehr, keine Diskussionen, es zählt ausschließlich das wirtschaftliche Ergebnis.
Als kreativ gilt, wer sich die Buchhalternase mit Tonnen von Kokain stopfen könnte, weil er sonst nicht wüsste, wohin mit seinem Geld. Auch Kreativität ist einzig aufs Geldmachen bezogen, auf die Tricks und Finessen, die ein Anhäufen erlauben. Ein anderes Kriterium gibt es nicht mehr. Das gesellschaftliche Gerede von Erfolg, egal ob es um Reichtum oder Zusprache geht, bildet übrigens einen Bodensatz einer solchen Herangehensweise. Sachfragen spielen dabei keine Rolle.
[Schweigen]
2/
[Ausstattung: Tisch, 4 Stühle, 4 Gläser, einige Flaschen, schwarz ausgehangen.
Beteiligte: Personen 1-4]
[Nach einem Schweigen (und Herumhantieren)]
Person 1 (männlich):
Ich versteh nicht ganz, was du willst. Eine Gegenrevolution anzetteln? Mit uns Elenden? Einem kümmerlichen Haufen? Solln wir durch die Gegend ballern, um möglichst alte Werte zu erhalten helfen? Es gab und gibt bereits Rückbesinnungen genug, zum Beispiel im Rahmen der Neotonalität und des Minimal. Nicht selten mit einem schier unerträglichen Pathos auf einem singulären Ton, oder mit Schleifen, die laufen und laufen und laufen, als seien bereits alle, die sie anhalten könnten, tot. Ich müsste gestehen, dass ich solche Rückbesinnungen aufgeblasen und peinlich finde. Musikalisch ist dies bestenfalls viel, viel zu wenig.
Person 3 (männlich):
Das hört sich an, als sei das Weltende schon hinter uns, das soziale. Nein, deine Erläuterung bietet tatsächlich keine Perspektive. Da gebe ich dir Recht. So kämen wir nicht weiter.
[Schweigen]
Person 1 (männlich):
Dann sag doch mal, was du dir vorstellst.
Person 3 (männlich):
Leider bislang nichts. Ich frage euch. Eventuell, mehr als ein mögliches Brainstorming fiel mir nicht ein. Eventuell ist es längst zu spät, steuern wir auf die Gesellschaft eines Finanzadels zu. Auf Bedingungen wie in den USA. Dort greift der Finanzadel auch in die Politik ein, innerhalb der Politik als auch durch Lobbyarbeit, über das initiieren von Gesetzesvorhaben und deren Steuerung. Mit demokratischem Verhalten hat dies nicht mehr viel zu tun.
[Schweigen]
Person 2 (weiblich):
Nichts, nichts als eine Blockade im Gehirn.
[Schweigen]
Person 4 (männlich):
Mannomann! Worüber habt ihr zuvor gesprochen?! Vielleicht hilft eine Auffrischung, um Blockaden zu lösen. Und ich bekomme vielleicht einige Hinweise darüber, was euch unabhängig von Peters Frage beschäftigt. Gibt mir einer von euch einige Andeutungen?
Person 2 (weiblich):
Musik, Literatur, Wirtschaft − und Bildung, hätte ich fast vergessen, obgleich gerade diese vermisst wird. Eine Herausforderung kindlicher Neugierde.
[Schweigen]
Person 4 (männlich):
Mmmm. Kindliche Neugierde?
[Schweigen]
Person 4 (männlich):
Für ein Ausleben von Neugierde wären Künste und Wissenschaften prädestiniert. Eine Buchhaltung mit Sicherheit nicht. Doch je mehr der Laut ‚Kultur‘ fällt, um so weniger ist von Künsten die Rede. Und in den Wissenschaften ist Grundlagenforschung kaum noch finanzierbar. Berechenbar machen, praktische Relevanz, auch dann, wenn es nicht um die Berechnung einer Sache, sondern um deren Erleben unter Konsumenten geht. Diese Verwechslung ist einkalkuliert! Und sie muss, sollen Drittmittel fließen, unter die Labortische fallen. Wie misst man Kreativität: anhand ihres Erfolgs!
[Schweigen]
Person 1 (männlich):
Und nun?
[Schweigen]
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Hier geht es zur Szene 3: http://markammern.blogger.de/20150712/
Beteiligte: Personen 1-4
1/
[Nach Schweigen (und Herumhantieren)]
Person 4 (männlich) [hereinkommend]:
Da seid ihr ja, ihr Aliens! Es war gar nicht einfach, euch zu finden. Und was ist das hier? [Er blickt und zeigt durch den Raum.]
Person 1 (männlich):
Hol dir erstmal einen Stuhl von vorne ...
Person 2 (weiblich):
Und ein Glas ...
Person 4 (männlich):
Wo bin ich hier gelandet? Was für ein Hintersaal. Hier könnte man Theater spielen, würde man es drauf ankommen lassen ...
Person 3 (männlich):
Besorg dir erstmal Stuhl und Glas.
[Er holt sich einen Stuhl und ein Glas von draußen und setzt sich zu den anderen.]
Person 4 (männlich):
Ist das ein ehemaliger Theatersaal? Oder das, was davon übrig blieb? Wird der nicht genutzt?
Person 2 (weiblich):
Fehlender Brandschutz, kaputte Heizung und ... wir mussten unterschreiben, den Raum auf eigene Verantwortung zu betreten.
Person 4 (männlich):
Ooch, erstaunlich [er blickt erneut durch den Raum], ist doch angenehm hier!
Person 2 (weiblich):
Deine Unterschrift fehlt noch. [Sie schiebt ihm den Zettel zu.]
Person 4 (männlich):
[Er liest die Vereinbarung] Und ihr seid euch sicher, dass wir den Abend überleben? [Er schaut auf.]
Person 3 (männlich):
Unterschreib endlich.
Person 4 (männlich):
Hat jemand einen Stift? [Er blickt in die Runde]
Person 2 (weiblich):
[Sie schiebt ihm noch einen Stift hinterher.]
Person 4 (männlich):
Danke. [Er unterschreibt.] Ist das rechtens?
Person 1 (männlich):
Völlig egal. Ohne diesen Zettel und unsere Krakel hätte man uns nicht hineingelassen.
Person 4 (männlich):
Hätte ein Tisch vorne nicht gereicht? Weshalb musste es dieser Raum sein?
Person 3 (männlich):
Die Ruhe! Es ist nur unser Geklapper und Geplapper zu hören. Das war es uns wert. Nicht einmal irgendeine Kneipenmusik.
Person 2 (weiblich):
Kannst du noch ein paar Flaschen besorgen? Inzwischen kennst du ja den Weg.
Person 4 (männlich):
Von diesem Zeug? [Er steht auf, bleibt am Ausgang kurz stehen] Hab ich auch wegen dieser Flaschen unterschieben? [Geht und kommt mit einigen Flaschen zurück, postiert sie zu den anderen auf dem Tisch.]
[Schweigen]
Person 3 (männlich):
[Zu Person 4 gewandt:] Danke, dass auch du gekommen bist. [Zur Runde gerichtet:] Jetzt sind wir alle beisammen. Auch einen Dank an euch. Ich wollte dieses Treffen, um zu fragen, ob jemandem angesichts der neoliberalen Revolution, die nicht bloß eine ökonomische ist, sondern eine gesellschaftliche, etwas einfällt, etwas, das man tun kann.
[Schweigen]
Person 2 (weiblich):
Ich kann das Wort nicht mehr hören, ‚neoliberal‘. Beobachtet man die öffentliche Diskussion, handelt es sich um nicht mehr als um eine ständig wiederholte Floskel. [Zu Person 3 gewandt:] Weißt du mehr?
Person 3 (männlich):
Im Grunde ist es einfach, wobei man über mögliche Bedeutungsanklänge der Vokabel kein Aufhebens machen sollte. Die allgemeine Ausrichtung gilt dem privatwirtschaftlichen Engagement und ist gegen einen aktiven Staat gerichtet. Alles und jedes wird unter marktwirtschaftlichen Kriterien betrachtet und berechnet. Das vereinfacht die Sichtweise, reduziert den Wert eines Engagements letztlich auf die Resultate der Buchhaltung und lässt eventuell mittelfristig die Steuerlast der wirtschaftlich Erfolgreichen senken. Keine Sachfragen mehr, keine Diskussionen, es zählt ausschließlich das wirtschaftliche Ergebnis.
Als kreativ gilt, wer sich die Buchhalternase mit Tonnen von Kokain stopfen könnte, weil er sonst nicht wüsste, wohin mit seinem Geld. Auch Kreativität ist einzig aufs Geldmachen bezogen, auf die Tricks und Finessen, die ein Anhäufen erlauben. Ein anderes Kriterium gibt es nicht mehr. Das gesellschaftliche Gerede von Erfolg, egal ob es um Reichtum oder Zusprache geht, bildet übrigens einen Bodensatz einer solchen Herangehensweise. Sachfragen spielen dabei keine Rolle.
[Schweigen]
2/
[Ausstattung: Tisch, 4 Stühle, 4 Gläser, einige Flaschen, schwarz ausgehangen.
Beteiligte: Personen 1-4]
[Nach einem Schweigen (und Herumhantieren)]
Person 1 (männlich):
Ich versteh nicht ganz, was du willst. Eine Gegenrevolution anzetteln? Mit uns Elenden? Einem kümmerlichen Haufen? Solln wir durch die Gegend ballern, um möglichst alte Werte zu erhalten helfen? Es gab und gibt bereits Rückbesinnungen genug, zum Beispiel im Rahmen der Neotonalität und des Minimal. Nicht selten mit einem schier unerträglichen Pathos auf einem singulären Ton, oder mit Schleifen, die laufen und laufen und laufen, als seien bereits alle, die sie anhalten könnten, tot. Ich müsste gestehen, dass ich solche Rückbesinnungen aufgeblasen und peinlich finde. Musikalisch ist dies bestenfalls viel, viel zu wenig.
Person 3 (männlich):
Das hört sich an, als sei das Weltende schon hinter uns, das soziale. Nein, deine Erläuterung bietet tatsächlich keine Perspektive. Da gebe ich dir Recht. So kämen wir nicht weiter.
[Schweigen]
Person 1 (männlich):
Dann sag doch mal, was du dir vorstellst.
Person 3 (männlich):
Leider bislang nichts. Ich frage euch. Eventuell, mehr als ein mögliches Brainstorming fiel mir nicht ein. Eventuell ist es längst zu spät, steuern wir auf die Gesellschaft eines Finanzadels zu. Auf Bedingungen wie in den USA. Dort greift der Finanzadel auch in die Politik ein, innerhalb der Politik als auch durch Lobbyarbeit, über das initiieren von Gesetzesvorhaben und deren Steuerung. Mit demokratischem Verhalten hat dies nicht mehr viel zu tun.
[Schweigen]
Person 2 (weiblich):
Nichts, nichts als eine Blockade im Gehirn.
[Schweigen]
Person 4 (männlich):
Mannomann! Worüber habt ihr zuvor gesprochen?! Vielleicht hilft eine Auffrischung, um Blockaden zu lösen. Und ich bekomme vielleicht einige Hinweise darüber, was euch unabhängig von Peters Frage beschäftigt. Gibt mir einer von euch einige Andeutungen?
Person 2 (weiblich):
Musik, Literatur, Wirtschaft − und Bildung, hätte ich fast vergessen, obgleich gerade diese vermisst wird. Eine Herausforderung kindlicher Neugierde.
[Schweigen]
Person 4 (männlich):
Mmmm. Kindliche Neugierde?
[Schweigen]
Person 4 (männlich):
Für ein Ausleben von Neugierde wären Künste und Wissenschaften prädestiniert. Eine Buchhaltung mit Sicherheit nicht. Doch je mehr der Laut ‚Kultur‘ fällt, um so weniger ist von Künsten die Rede. Und in den Wissenschaften ist Grundlagenforschung kaum noch finanzierbar. Berechenbar machen, praktische Relevanz, auch dann, wenn es nicht um die Berechnung einer Sache, sondern um deren Erleben unter Konsumenten geht. Diese Verwechslung ist einkalkuliert! Und sie muss, sollen Drittmittel fließen, unter die Labortische fallen. Wie misst man Kreativität: anhand ihres Erfolgs!
[Schweigen]
Person 1 (männlich):
Und nun?
[Schweigen]
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Hier geht es zur Szene 3: http://markammern.blogger.de/20150712/
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Freitag, 10. Juli 2015
„Storming“ - Szene 1 - Gespräch - Teile 1-3
mark ammern, 12:47h
Ausstattung: Tisch, 3 Stühle, 3 Gläser, einige Flaschen, schwarz ausgehangen
Beteiligte: Personen 1-3
1/
[Nach einem langen Schweigen (und Herumhantieren)]
Person 1 (männlich):
Nehmen wir Musik …
Person 2 (weiblich):
Wie - und wohin?
Person 1 (männlich):
Darf ich hier nicht normal sprechen?
Person 2 (weiblich):
‚Normal sprechen’? Was könnte dies sein? Das umgangssprachliche Geschehen, das verlautet, als hätte jemand etwas gesagt?
Person 3 (männlich):
So kommen wir nicht weiter, im Gespräch. Nicht mal zu einem Anfang!
Person 2 (weiblich):
Weshalb wäre anzufangen? Und wie, ohne Sprache.
Person 3 (männlich):
Sollten wir uns anschweigen? Ist denn Umgangssprache nicht besser als gar keine?
Person 1 (männlich):
Wäre es verfehlt, zum Beispiel über Musik zu sprechen? Wäre dies angemessener formuliert? Es gibt genug, das mich nervt, ich will nicht noch über Wörter streiten.
Person 2 (weiblich):
Erst durch Worte wäre erfahrbar, worüber gesprochen wird, oder gesprochen werden könnte. Eventuell besteht lediglich die Möglichkeit zu raunen und zu jaulen? Sogar davon verstehen wir nichts, berücksichtigten wir die übrige Tierwelt. ‚Normal‘ zu sprechen unterliegt den schwierig zu vermittelnden Konventionen, die völlig unerheblich sein könnten. Nehmen wir Musik: Für die meisten Menschen ist dies kaum mehr als ein Bauchgefühl, egal ob ein pophafter Bass die Magenwände vibrieren lässt oder romantische Streicher das Hirn vernebeln. Konventionell gibt es gar keine Musik, ist von Musik nicht Rede …
Person 3 (männlich):
Ich schätze, Karl wollte auf Ähnliches hinaus. Um dies mal zu erläutern: Die Leute sprechen nicht über Musik, die ist für sie gar nicht fassbar, lediglich über ihre Gefühle, ihr Erleben.
Person 1 (männlich):
Niemand muss mich erläutern. Zeitgenössische Musik ist öffentlich nur noch in mitternächtlichen Radioprogrammen zu hören, weil kaum jemand etwas damit anfangen kann, allenfalls einige aussterbenden Fach-Redakteure, die mal studiert hatten.
Person 2 (weiblich):
Und wer weiß etwas über Sprache? Ich höre allenfalls DUDEN, DUDEN. Als sei der für irgendetwas gut! Wie könnte über Musik gesprochen werden, wenn von Sprache nichts bekannt ist, bestenfalls ein paar redaktionell aufbereitete Vokabeln und Regeln.
Person 3 (männlich):
Hat die Bildung versagt?
Person 1 (männlich):
Seien wir doch ehrlich: Es gibt gar keine. Alle kindliche Neugierde wird in vermittelten Konventionen erstickt. Wenn dies Bildung wäre, müsste über ein Plattkloppen gesprochen werden.Nur dies ist, darin ist sich die Politik weitgehend einige, gesellschaftlich nutzbringend. Gestritten wird über das Wie.
[Schweigen]
----------
2/
[Nach einem Schweigen (und Herumhantieren)]
Person 3 (männlich):
Es gibt übrigens unmusikalische Menschen, sogar tanzend. Die arbeiten richtig hart, schwitzen sogar, treten dennoch daneben, wirklich, neben jeden Takt, so laut er auch geschlagen wird. Auch Krach kommt nicht an.
[Schweigen, die ersten Zigaretten werden angezündet]
Person 2 (weiblich):
Musik ist gesellschaftlich unwichtig, wenn kaum jemand etwas davon versteht, wenn die ansprechbaren Leute bloß durch ihre Gefühle rumpeln oder schweben … Nicht viel anders als gegenüber der Literatur.
Person 1 (männlich):
Musik ist eine Droge! Stille oder Umgebungsgeräusche werden doch kaum noch ertragen! Schau dir die Kopfhörergestalten auf den Straßen an. Deshalb verändert sich in der sogenannten Popkultur allenfalls der Stil, von den Haaren bis zu den Zehennägeln. Die Musik bleibt wie eh und je. Nur die schäumende Wirkung zählt, und mit ihr die jeweilige Farbe.
Wäre es abwegig, anzunehmen, diese in besonderer Weise industriell erzeugte Abhängigkeit führte in eine Beschaffungskriminalität, die den Niedergang der gesamten Branche beschleunigt?
Person 3 (männlich):
Gar nicht so übel, lass sie krepieren, die Industrie. Wären doch nicht alle aus der Branche betroffen.
[Schweigen]
Person 2 (weiblich):
Könnte Literatur eine Droge sein? Und falls dies möglich wäre, wie ließe sich dies erläutern? − Hilft mir jemand? − Niemand? − Ich würde allenfalls auf ein Verschlingen von Genre tippen, so wie man Burger in sich hineinstopft, im gierigen Verlangen nach Fett und Zusatzstoffen. Das würde zur Popmusikdroge passen können, doch im Unterschied zur Musik, von der vielfach nichts bekannt ist, gibt es in Bezug auf Literatur wenigstens einige konditionierte Vokabeln: ‚Geschichte‘ zum Beispiel, aber dieses Wort bezieht sich oft indifferent auf die Handlung als auch die Beschreibung. Es gehört vermutlich zum Leben vieler Menschen, dass Worte und nicht-sprachliche Sachverhalte nicht systematisch geschieden werden.
Person 3 (männlich):
Eine der wirren Konventionen, die gar nicht leicht zu lernen sind?
Person 1 (männlich):
Bist du inzwischen Schriftstellerin, offiziell, oder …
Person 2 (weiblich):
Ich bin keine. Und ich will auch keine werden. Diese Sorgen um ein Auskommen, wegen dem Internet und all dem Digitalen, das würde ich nicht aushalten. An eine Weiterentwicklung von Literatur wäre nicht zu denken. Neues würde nur von den Sorgen ablenken.
Schriftsteller sind Urheber, ähnlich wie Komponisten, haben auch ähnlich schwer zu tragen. Nicht nur an den alten Druckexemplaren. Der Markt verlangt Romane, nicht sonderlich komplexe, aber charmant oder aufregend oder beides. Rasch fassbar. Ob auf der Couch, im Bett oder auf der Parkbank. Solche Lümmel-Merkmale würden mich nicht interessieren.
Einen Einfall muss man allerdings immer noch haben, so etwas wie eine Skizze, die ahnen lassen könnte, was draus wird, einen Strang, an dem ein Schriftsteller aufhängbar wäre, ob von Lesern oder Kritikern, falls es mit dem Stellen der Schrift nicht wunschgemäß klappt.
Genug um Abstand zu nehmen. Schriftstellerin zu werden, wäre das Letzte, das Erbärmlichste, das ich mir vorstellen könnte. Den Strick würde ich mir bereits im Anfang eines Romanprojekts geben, damits ein rasches Ende nimmt.
Person 1 (männlich):
Du erfülltest immerhin eine gesellschaftliche Funktion, wärst legitimiert. Hingegen wäre eine Überfrachtung von Schriftstellern mit Ansprüchen, die sie nicht selber erheben, völlig irrelevant …
Person 2 (weiblich):
Hab ich das getan?
Person 1 (männlich):
Was?
Person 2 (weiblich):
Überfrachten?
Person 3 (männlich):
Sprach sie nicht lediglich darüber, was sie machen bzw. nicht machen würde? Das hatte zwar etwas Hinterhältiges …
Person 1 (männlich):
Ok ok.
[Schweigen]
----------
3/
[Nach einem Schweigen (und Herumhantieren)]
Person 1 (männlich):
Ein gesellschaftliches Nutzvieh zu sein, ist unter Menschen eine geschätzte Aufgabe …
Person 3 (männlich):
Sind wir keine Menschen?
Person 1 (männlich):
Wer weiß. Verfügst du über eine amtliche Bestätigung?
Person 2 (weiblich):
Eine abgegrenzte Funktion inne zu haben, ist gesellschaftlich durchaus erstrebenswert, in der Arbeit als auch privat. Die Aufgabenteilungen machen das Leben leichter. Alles wird gesplittet: vom erlernbaren Wissen bis zur Verantwortung ...
Person 3 (männlich):
Bis etwas mit etwas zusammenhängt, dann entsteht ein überraschtes Achselzucken. Bedenkt die Wirtschaftskrisen des 20. Jhds. Rein ökonomische Betrachtungsweisen erzeugten aus der Ökonomie eine mathematische Metaphysik. Und dies im 20. Jhd. Ein dunkles Mittelalter, unter dem strahlend reinen Licht der verbogenen Linse. Aus soviel haarsträubender Dummheit ließe sich nicht einmal n Slapstick machen.
[Schweigen]
Person 1 (männlich):
Was machen wir hier?
[Schweigen, Stöhnen, Achselzucken, Stöhnen, Schweigen]
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Hier geht es zur Szene 2: http://markammern.blogger.de/20150711/
Beteiligte: Personen 1-3
1/
[Nach einem langen Schweigen (und Herumhantieren)]
Person 1 (männlich):
Nehmen wir Musik …
Person 2 (weiblich):
Wie - und wohin?
Person 1 (männlich):
Darf ich hier nicht normal sprechen?
Person 2 (weiblich):
‚Normal sprechen’? Was könnte dies sein? Das umgangssprachliche Geschehen, das verlautet, als hätte jemand etwas gesagt?
Person 3 (männlich):
So kommen wir nicht weiter, im Gespräch. Nicht mal zu einem Anfang!
Person 2 (weiblich):
Weshalb wäre anzufangen? Und wie, ohne Sprache.
Person 3 (männlich):
Sollten wir uns anschweigen? Ist denn Umgangssprache nicht besser als gar keine?
Person 1 (männlich):
Wäre es verfehlt, zum Beispiel über Musik zu sprechen? Wäre dies angemessener formuliert? Es gibt genug, das mich nervt, ich will nicht noch über Wörter streiten.
Person 2 (weiblich):
Erst durch Worte wäre erfahrbar, worüber gesprochen wird, oder gesprochen werden könnte. Eventuell besteht lediglich die Möglichkeit zu raunen und zu jaulen? Sogar davon verstehen wir nichts, berücksichtigten wir die übrige Tierwelt. ‚Normal‘ zu sprechen unterliegt den schwierig zu vermittelnden Konventionen, die völlig unerheblich sein könnten. Nehmen wir Musik: Für die meisten Menschen ist dies kaum mehr als ein Bauchgefühl, egal ob ein pophafter Bass die Magenwände vibrieren lässt oder romantische Streicher das Hirn vernebeln. Konventionell gibt es gar keine Musik, ist von Musik nicht Rede …
Person 3 (männlich):
Ich schätze, Karl wollte auf Ähnliches hinaus. Um dies mal zu erläutern: Die Leute sprechen nicht über Musik, die ist für sie gar nicht fassbar, lediglich über ihre Gefühle, ihr Erleben.
Person 1 (männlich):
Niemand muss mich erläutern. Zeitgenössische Musik ist öffentlich nur noch in mitternächtlichen Radioprogrammen zu hören, weil kaum jemand etwas damit anfangen kann, allenfalls einige aussterbenden Fach-Redakteure, die mal studiert hatten.
Person 2 (weiblich):
Und wer weiß etwas über Sprache? Ich höre allenfalls DUDEN, DUDEN. Als sei der für irgendetwas gut! Wie könnte über Musik gesprochen werden, wenn von Sprache nichts bekannt ist, bestenfalls ein paar redaktionell aufbereitete Vokabeln und Regeln.
Person 3 (männlich):
Hat die Bildung versagt?
Person 1 (männlich):
Seien wir doch ehrlich: Es gibt gar keine. Alle kindliche Neugierde wird in vermittelten Konventionen erstickt. Wenn dies Bildung wäre, müsste über ein Plattkloppen gesprochen werden.Nur dies ist, darin ist sich die Politik weitgehend einige, gesellschaftlich nutzbringend. Gestritten wird über das Wie.
[Schweigen]
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2/
[Nach einem Schweigen (und Herumhantieren)]
Person 3 (männlich):
Es gibt übrigens unmusikalische Menschen, sogar tanzend. Die arbeiten richtig hart, schwitzen sogar, treten dennoch daneben, wirklich, neben jeden Takt, so laut er auch geschlagen wird. Auch Krach kommt nicht an.
[Schweigen, die ersten Zigaretten werden angezündet]
Person 2 (weiblich):
Musik ist gesellschaftlich unwichtig, wenn kaum jemand etwas davon versteht, wenn die ansprechbaren Leute bloß durch ihre Gefühle rumpeln oder schweben … Nicht viel anders als gegenüber der Literatur.
Person 1 (männlich):
Musik ist eine Droge! Stille oder Umgebungsgeräusche werden doch kaum noch ertragen! Schau dir die Kopfhörergestalten auf den Straßen an. Deshalb verändert sich in der sogenannten Popkultur allenfalls der Stil, von den Haaren bis zu den Zehennägeln. Die Musik bleibt wie eh und je. Nur die schäumende Wirkung zählt, und mit ihr die jeweilige Farbe.
Wäre es abwegig, anzunehmen, diese in besonderer Weise industriell erzeugte Abhängigkeit führte in eine Beschaffungskriminalität, die den Niedergang der gesamten Branche beschleunigt?
Person 3 (männlich):
Gar nicht so übel, lass sie krepieren, die Industrie. Wären doch nicht alle aus der Branche betroffen.
[Schweigen]
Person 2 (weiblich):
Könnte Literatur eine Droge sein? Und falls dies möglich wäre, wie ließe sich dies erläutern? − Hilft mir jemand? − Niemand? − Ich würde allenfalls auf ein Verschlingen von Genre tippen, so wie man Burger in sich hineinstopft, im gierigen Verlangen nach Fett und Zusatzstoffen. Das würde zur Popmusikdroge passen können, doch im Unterschied zur Musik, von der vielfach nichts bekannt ist, gibt es in Bezug auf Literatur wenigstens einige konditionierte Vokabeln: ‚Geschichte‘ zum Beispiel, aber dieses Wort bezieht sich oft indifferent auf die Handlung als auch die Beschreibung. Es gehört vermutlich zum Leben vieler Menschen, dass Worte und nicht-sprachliche Sachverhalte nicht systematisch geschieden werden.
Person 3 (männlich):
Eine der wirren Konventionen, die gar nicht leicht zu lernen sind?
Person 1 (männlich):
Bist du inzwischen Schriftstellerin, offiziell, oder …
Person 2 (weiblich):
Ich bin keine. Und ich will auch keine werden. Diese Sorgen um ein Auskommen, wegen dem Internet und all dem Digitalen, das würde ich nicht aushalten. An eine Weiterentwicklung von Literatur wäre nicht zu denken. Neues würde nur von den Sorgen ablenken.
Schriftsteller sind Urheber, ähnlich wie Komponisten, haben auch ähnlich schwer zu tragen. Nicht nur an den alten Druckexemplaren. Der Markt verlangt Romane, nicht sonderlich komplexe, aber charmant oder aufregend oder beides. Rasch fassbar. Ob auf der Couch, im Bett oder auf der Parkbank. Solche Lümmel-Merkmale würden mich nicht interessieren.
Einen Einfall muss man allerdings immer noch haben, so etwas wie eine Skizze, die ahnen lassen könnte, was draus wird, einen Strang, an dem ein Schriftsteller aufhängbar wäre, ob von Lesern oder Kritikern, falls es mit dem Stellen der Schrift nicht wunschgemäß klappt.
Genug um Abstand zu nehmen. Schriftstellerin zu werden, wäre das Letzte, das Erbärmlichste, das ich mir vorstellen könnte. Den Strick würde ich mir bereits im Anfang eines Romanprojekts geben, damits ein rasches Ende nimmt.
Person 1 (männlich):
Du erfülltest immerhin eine gesellschaftliche Funktion, wärst legitimiert. Hingegen wäre eine Überfrachtung von Schriftstellern mit Ansprüchen, die sie nicht selber erheben, völlig irrelevant …
Person 2 (weiblich):
Hab ich das getan?
Person 1 (männlich):
Was?
Person 2 (weiblich):
Überfrachten?
Person 3 (männlich):
Sprach sie nicht lediglich darüber, was sie machen bzw. nicht machen würde? Das hatte zwar etwas Hinterhältiges …
Person 1 (männlich):
Ok ok.
[Schweigen]
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3/
[Nach einem Schweigen (und Herumhantieren)]
Person 1 (männlich):
Ein gesellschaftliches Nutzvieh zu sein, ist unter Menschen eine geschätzte Aufgabe …
Person 3 (männlich):
Sind wir keine Menschen?
Person 1 (männlich):
Wer weiß. Verfügst du über eine amtliche Bestätigung?
Person 2 (weiblich):
Eine abgegrenzte Funktion inne zu haben, ist gesellschaftlich durchaus erstrebenswert, in der Arbeit als auch privat. Die Aufgabenteilungen machen das Leben leichter. Alles wird gesplittet: vom erlernbaren Wissen bis zur Verantwortung ...
Person 3 (männlich):
Bis etwas mit etwas zusammenhängt, dann entsteht ein überraschtes Achselzucken. Bedenkt die Wirtschaftskrisen des 20. Jhds. Rein ökonomische Betrachtungsweisen erzeugten aus der Ökonomie eine mathematische Metaphysik. Und dies im 20. Jhd. Ein dunkles Mittelalter, unter dem strahlend reinen Licht der verbogenen Linse. Aus soviel haarsträubender Dummheit ließe sich nicht einmal n Slapstick machen.
[Schweigen]
Person 1 (männlich):
Was machen wir hier?
[Schweigen, Stöhnen, Achselzucken, Stöhnen, Schweigen]
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Hier geht es zur Szene 2: http://markammern.blogger.de/20150711/
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