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Montag, 13. Juli 2015
„Storming“ - Szene 4 - Gespräch - Teile 1-2
mark ammern, 12:23h
Ausstattung: Tisch, 4 Stühle, 4 Gläser, einige Flaschen, schwarz ausgehangen.
Beteiligte: Personen 1-4
1/
[Person 4 (männlich) sitzt am Tisch, Personen 1-3 kommen in folgender Reihenfolge von draußen hinzu: Person 1 (männlich), Person 3 (männlich), Person 2 (weiblich).]
Person 2 (weiblich):
[Sie bleibt plötzlich stehen, atmet durch, baut sich mächtig auf und kreischt:] Reich Gottes!!
[Die anderen erschrecken ... Ein „Hohoo“ ist von Person 4 zu hören.]
Person 2 (weiblich):
[In ruhigerem aber weiterhin lautem Ton:] Die Menschheit ist des Wahnsinns! Falls es eine anthropologische Konstante gibt, dann diese!
[Erstauntes Schweigen]
Person 2 (weiblich):
[In ruhigerem und normalem Ton:] Versteht ihr nicht? [Lauter:] Wahnsinn, Wahnsinn! - [Leiser:] Nicht Vernunft! Sowas wie Vernunft könnte allenfalls aus irgendeinem Unfall resultieren. Aber bislang hat keine sogenannte Vernunft unwiderlegt überdauert. Nur Makulatur. [Etwas lauter:] Kapieren wir es endlich. [Laut:] Das menschliche Metier ist der Wahnsinn! [Leise:] Dazu kann sogar gehören, die Gewissheit zu haben, über Vernunft zu verfügen oder vernünftig zu sein.
Person 3 (männlich):
[In normaler Lautstärke:] Alternierend mit Stumpfsinn [er lächelt].
Person 2 (weiblich):
Toll! Sowas fehlte mir noch! Befreien wir die Psyche aus ihren konventionellen Klammerungen! Ich postuliere als graduelle und alternierende Erlebenskonstanten: Wahnsinn und Stumpfsinn! [Lauter:] Und wir müssen aus Letzterem raus! [Leiser:] Schleunigst [sie grinst].
Person 4 (männlich):
Wow! Ein hervorragender Blockadenlöser [er lacht auf]!
Person 1 (männlich):
Halt! Und was sollte das mit ‚Reich Gottes‘?!
Person 2 (weiblich):
[Zu Person 1:] Jetzt hab dich nicht so. Peter erläuterte mir draußen den neoliberalen Wahnsinn als einen mittelalterlichen Kampf ums Reich Gottes. Ok? Und der wird in schier unermesslicher Breite geführt. Überall in der Gesellschaft und weit über Deutschland hinaus. Ich musste dies einmal rausschreien, um wieder atmen zu können.
Person 4 (männlich):
Wunderbar! Möchte noch jemand?!
Person 1 (männlich):
[Zu Person 2:] Erreicht ist damit nicht viel. Der Sache nach, worum soll es gehen? Um die Rückeroberung der abgeschmackten bürgerlichen Kulturstandards, mit denen wir ebenfalls nichts anfangen konnten? Wir sind, vielleicht hat Jens gar nicht unrecht, einfach andere Wesen.
[Schweigen]
Person 1 (männlich):
Ich stecke in einem Zwiespalt: Die alte bürgerliche Welt buchhalterisch zugrunde richten zu sehen, lässt mich Sympathie empfinden, mich enttäuscht die entstandene öffentliche Seiche. Interessantes geschieht weiterhin an den unbeachteten Rändern, von denen es heißt, sie seien nicht massentauglich. Was hat sich denn für uns geändert? Faktisch nichts. Sehe ich mal von einem Raum [er hebt einen Arm] wie diesem ab. Und der wird bald verfallen.
[Schweigen]
2/
[Nach einem Schweigen (und Herumhantieren)]
Person 3 (männlich):
Bei aller möglichen Schadenfreude: Immerhin hätten wir für uns so etwas wie einen Anfang. Es gäbe zwei verschiedene Ausrichtungen, die thematisierbar wären: Die gesellschaftliche Entwicklung - und unsere Neugierden.
Person 2 (weiblich):
Das hat so viel miteinander zu tun, wie, wie das ehemalige Entrée und die upgefuckte Kneipe.
Person 1 (männlich):
Ich habe nicht einmal was mit diesem Fuck zu tun.
Person 2 (weiblich):
Ja ja, niemand von uns.
Person 4 (männlich):
Na und? Es hätte mich überrascht. Viel mehr als diese Flaschen zu bestellen, wäre vorne kaum möglich. Jeder von euch ist halt ein identitätsloses Etwas [er grinst]. Das ist völlig absurd, für die Bürgerlichen wie für die Szenerianer. Dieser sonderbare Antrieb, Identitäten auszubilden, ist einfach undurchschaubar. Na und? Es fehlt an Sprache, und sobald man fragt, gibts keine Antwort. Nicht einmal solche Fragen werden verstanden, weil Sprache überhaupt nicht interessiert. Na und? Bleibt doch locker!
[Schweigen]
Person 2 (weiblich):
Vielleicht fühlen die sich einsam?
Person 1 (männlich):
‚Fühlen‘ trifft. Auch ihr sogenanntes ‚Denken‘ ist ja nicht mehr als ein psychisches Erleben überlieferter Vokabuleien, das ihnen sogar Kopfschmerzen bereiten kann. Es sind Menschen. Was erwartet ihr?
[Schweigen, Herumhantieren, Schweigen]
-----
Hier geht es zur Szene 5: http://markammern.blogger.de/20150715/
Beteiligte: Personen 1-4
1/
[Person 4 (männlich) sitzt am Tisch, Personen 1-3 kommen in folgender Reihenfolge von draußen hinzu: Person 1 (männlich), Person 3 (männlich), Person 2 (weiblich).]
Person 2 (weiblich):
[Sie bleibt plötzlich stehen, atmet durch, baut sich mächtig auf und kreischt:] Reich Gottes!!
[Die anderen erschrecken ... Ein „Hohoo“ ist von Person 4 zu hören.]
Person 2 (weiblich):
[In ruhigerem aber weiterhin lautem Ton:] Die Menschheit ist des Wahnsinns! Falls es eine anthropologische Konstante gibt, dann diese!
[Erstauntes Schweigen]
Person 2 (weiblich):
[In ruhigerem und normalem Ton:] Versteht ihr nicht? [Lauter:] Wahnsinn, Wahnsinn! - [Leiser:] Nicht Vernunft! Sowas wie Vernunft könnte allenfalls aus irgendeinem Unfall resultieren. Aber bislang hat keine sogenannte Vernunft unwiderlegt überdauert. Nur Makulatur. [Etwas lauter:] Kapieren wir es endlich. [Laut:] Das menschliche Metier ist der Wahnsinn! [Leise:] Dazu kann sogar gehören, die Gewissheit zu haben, über Vernunft zu verfügen oder vernünftig zu sein.
Person 3 (männlich):
[In normaler Lautstärke:] Alternierend mit Stumpfsinn [er lächelt].
Person 2 (weiblich):
Toll! Sowas fehlte mir noch! Befreien wir die Psyche aus ihren konventionellen Klammerungen! Ich postuliere als graduelle und alternierende Erlebenskonstanten: Wahnsinn und Stumpfsinn! [Lauter:] Und wir müssen aus Letzterem raus! [Leiser:] Schleunigst [sie grinst].
Person 4 (männlich):
Wow! Ein hervorragender Blockadenlöser [er lacht auf]!
Person 1 (männlich):
Halt! Und was sollte das mit ‚Reich Gottes‘?!
Person 2 (weiblich):
[Zu Person 1:] Jetzt hab dich nicht so. Peter erläuterte mir draußen den neoliberalen Wahnsinn als einen mittelalterlichen Kampf ums Reich Gottes. Ok? Und der wird in schier unermesslicher Breite geführt. Überall in der Gesellschaft und weit über Deutschland hinaus. Ich musste dies einmal rausschreien, um wieder atmen zu können.
Person 4 (männlich):
Wunderbar! Möchte noch jemand?!
Person 1 (männlich):
[Zu Person 2:] Erreicht ist damit nicht viel. Der Sache nach, worum soll es gehen? Um die Rückeroberung der abgeschmackten bürgerlichen Kulturstandards, mit denen wir ebenfalls nichts anfangen konnten? Wir sind, vielleicht hat Jens gar nicht unrecht, einfach andere Wesen.
[Schweigen]
Person 1 (männlich):
Ich stecke in einem Zwiespalt: Die alte bürgerliche Welt buchhalterisch zugrunde richten zu sehen, lässt mich Sympathie empfinden, mich enttäuscht die entstandene öffentliche Seiche. Interessantes geschieht weiterhin an den unbeachteten Rändern, von denen es heißt, sie seien nicht massentauglich. Was hat sich denn für uns geändert? Faktisch nichts. Sehe ich mal von einem Raum [er hebt einen Arm] wie diesem ab. Und der wird bald verfallen.
[Schweigen]
2/
[Nach einem Schweigen (und Herumhantieren)]
Person 3 (männlich):
Bei aller möglichen Schadenfreude: Immerhin hätten wir für uns so etwas wie einen Anfang. Es gäbe zwei verschiedene Ausrichtungen, die thematisierbar wären: Die gesellschaftliche Entwicklung - und unsere Neugierden.
Person 2 (weiblich):
Das hat so viel miteinander zu tun, wie, wie das ehemalige Entrée und die upgefuckte Kneipe.
Person 1 (männlich):
Ich habe nicht einmal was mit diesem Fuck zu tun.
Person 2 (weiblich):
Ja ja, niemand von uns.
Person 4 (männlich):
Na und? Es hätte mich überrascht. Viel mehr als diese Flaschen zu bestellen, wäre vorne kaum möglich. Jeder von euch ist halt ein identitätsloses Etwas [er grinst]. Das ist völlig absurd, für die Bürgerlichen wie für die Szenerianer. Dieser sonderbare Antrieb, Identitäten auszubilden, ist einfach undurchschaubar. Na und? Es fehlt an Sprache, und sobald man fragt, gibts keine Antwort. Nicht einmal solche Fragen werden verstanden, weil Sprache überhaupt nicht interessiert. Na und? Bleibt doch locker!
[Schweigen]
Person 2 (weiblich):
Vielleicht fühlen die sich einsam?
Person 1 (männlich):
‚Fühlen‘ trifft. Auch ihr sogenanntes ‚Denken‘ ist ja nicht mehr als ein psychisches Erleben überlieferter Vokabuleien, das ihnen sogar Kopfschmerzen bereiten kann. Es sind Menschen. Was erwartet ihr?
[Schweigen, Herumhantieren, Schweigen]
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Sonntag, 12. Juli 2015
„Storming“ - Szene 3 (Nebenszene) - Gespräch
mark ammern, 11:18h
Ort: Vorbühne (Seiten- bzw. Hinterhof)
Ausstattung: regional übliche Mülleimer, schwarz ausgehangen (oder mit gemalten Hauswänden, falls die Zeit einen Wechsel erlaubt)
Beteiligte: Personen 2-3
Person 3 (männlich):
Geht es besser?
Person 2 (weiblich):
[Sie atmet durch.] Bald.
Person 3 (männlich):
Was ist geschehen?
Person 2 (weiblich):
[Sie atmet erneut durch.] Ich weiß nicht. Ich bekam plötzlich keine Luft. [Sie atmet erneut durch.]
[Schweigen]
Person 2 (weiblich):
Ich habe eine Frage. Du hattest von den Wirtschaftskrisen im 20. Jhd. gesprochen. [Sie atmet erneut durch.] Wahrscheinlich ist das Platzen der Finanzblasen am Anfang des 21. Jhds. ebenfalls einzubeziehen. Der Vorwurf der Metaphysik kritisiert vermutlich die mangelhafte Erklärbarkeit durch die Standard-Ökonomie. [Sie atmet erneut durch.] Zig Faktoren wurden nicht berücksichtigt … Aber was kommt nun auf uns zu? Und wie hängt dies mit den Krisen zusammen? Ich erinnerte mich an die alte Zauberformel: ‚Ceteris paribus‘! Die fiel mir in diesem mittelalterlichen Kontext ein: ‚unter gleichbleibenden Bedingungen‘. [Zu ihm gewandt:] Richtig? [Er nickt und lächelt dabei.]
Person 3 (männlich):
Genau, es war ein großes ökonomisches Problem, viele relevante Faktoren nicht in die Berechnungen einbeziehen zu können, deshalb, wie du formulierst, diese Zauberformel. Sie ließ draußen, was sich nicht integrieren ließ. [Er grinst.] Ein Schutzzauber.
Nun lässt sich die Reaktion aus dem neoliberalen Lager auf die Krisen und die Vorwürfe absehen: Was nicht passt, wird passend gemacht!
[Schweigen]
Person 2 (weiblich):
[Sie atmet erneut durch.] Dann haben wir derzeit keine Chance das Mittelalter zu verlassen, und es gibt keine Aussicht auf … ?
Person 3 (männlich):
Ich würde sagen, wir steuern auf ein Reich Gottes zu, die neoliberale Utopie!
Person 2 (weiblich):
[Sie schüttelt auffallend heftig den Kopf - atmet erneut durch.] Das ist doch Wahnsinn?!
Person 3 (männlich):
Nicht wahnsinniger als vieles andere, das Menschen im Laufe der Vergangenheit angestellt haben.
[Schweigen]
Person 3 (männlich):
Ich erinnere mich im Vorfeld des Bologna-Prozesses und einer öffentlichen Zur-Schau-Stellung von ‚Lebenslangem Lernen‘ an viele Institutionen und Institute, die an der Maginalisierung von Bildung mitarbeiteten: an der Zerlegung alter Bestände in Häppchen, um die anzugehende Verschulung, die sich ja auf ein ganzes Leben verteilen ließ, zu erleichtern. Das war ein Schock für mich! Das Studium sollte nur noch eine schmale Basis für ein späteres privates Engagement bilden, privat finanziert. Und dennoch verstand ich damals nicht, ich war wohl noch zu jung, die Relevanz. Bildung war ein zentrales Thema der privatwirtschaftlich orientierten Revolutionäre.
Die Revolution war und ist viel breiter angelegt, als man glauben möchte. Sie betrifft fast alle gesellschaftlichen Bereiche …
Person 1 (männlich):
[Er kommt hinzu.] Gehts euch gut? [Sie amtet erneut durch, er nickt.] Ihr werdet bereits vermisst. Wollt ihr nicht wieder zu uns stoßen?
[Person 1 geht schweigend vor.]
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Hier geht es zur Szene 4: http://markammern.blogger.de/stories/2516609/
Ausstattung: regional übliche Mülleimer, schwarz ausgehangen (oder mit gemalten Hauswänden, falls die Zeit einen Wechsel erlaubt)
Beteiligte: Personen 2-3
Person 3 (männlich):
Geht es besser?
Person 2 (weiblich):
[Sie atmet durch.] Bald.
Person 3 (männlich):
Was ist geschehen?
Person 2 (weiblich):
[Sie atmet erneut durch.] Ich weiß nicht. Ich bekam plötzlich keine Luft. [Sie atmet erneut durch.]
[Schweigen]
Person 2 (weiblich):
Ich habe eine Frage. Du hattest von den Wirtschaftskrisen im 20. Jhd. gesprochen. [Sie atmet erneut durch.] Wahrscheinlich ist das Platzen der Finanzblasen am Anfang des 21. Jhds. ebenfalls einzubeziehen. Der Vorwurf der Metaphysik kritisiert vermutlich die mangelhafte Erklärbarkeit durch die Standard-Ökonomie. [Sie atmet erneut durch.] Zig Faktoren wurden nicht berücksichtigt … Aber was kommt nun auf uns zu? Und wie hängt dies mit den Krisen zusammen? Ich erinnerte mich an die alte Zauberformel: ‚Ceteris paribus‘! Die fiel mir in diesem mittelalterlichen Kontext ein: ‚unter gleichbleibenden Bedingungen‘. [Zu ihm gewandt:] Richtig? [Er nickt und lächelt dabei.]
Person 3 (männlich):
Genau, es war ein großes ökonomisches Problem, viele relevante Faktoren nicht in die Berechnungen einbeziehen zu können, deshalb, wie du formulierst, diese Zauberformel. Sie ließ draußen, was sich nicht integrieren ließ. [Er grinst.] Ein Schutzzauber.
Nun lässt sich die Reaktion aus dem neoliberalen Lager auf die Krisen und die Vorwürfe absehen: Was nicht passt, wird passend gemacht!
[Schweigen]
Person 2 (weiblich):
[Sie atmet erneut durch.] Dann haben wir derzeit keine Chance das Mittelalter zu verlassen, und es gibt keine Aussicht auf … ?
Person 3 (männlich):
Ich würde sagen, wir steuern auf ein Reich Gottes zu, die neoliberale Utopie!
Person 2 (weiblich):
[Sie schüttelt auffallend heftig den Kopf - atmet erneut durch.] Das ist doch Wahnsinn?!
Person 3 (männlich):
Nicht wahnsinniger als vieles andere, das Menschen im Laufe der Vergangenheit angestellt haben.
[Schweigen]
Person 3 (männlich):
Ich erinnere mich im Vorfeld des Bologna-Prozesses und einer öffentlichen Zur-Schau-Stellung von ‚Lebenslangem Lernen‘ an viele Institutionen und Institute, die an der Maginalisierung von Bildung mitarbeiteten: an der Zerlegung alter Bestände in Häppchen, um die anzugehende Verschulung, die sich ja auf ein ganzes Leben verteilen ließ, zu erleichtern. Das war ein Schock für mich! Das Studium sollte nur noch eine schmale Basis für ein späteres privates Engagement bilden, privat finanziert. Und dennoch verstand ich damals nicht, ich war wohl noch zu jung, die Relevanz. Bildung war ein zentrales Thema der privatwirtschaftlich orientierten Revolutionäre.
Die Revolution war und ist viel breiter angelegt, als man glauben möchte. Sie betrifft fast alle gesellschaftlichen Bereiche …
Person 1 (männlich):
[Er kommt hinzu.] Gehts euch gut? [Sie amtet erneut durch, er nickt.] Ihr werdet bereits vermisst. Wollt ihr nicht wieder zu uns stoßen?
[Person 1 geht schweigend vor.]
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Hier geht es zur Szene 4: http://markammern.blogger.de/stories/2516609/
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Samstag, 11. Juli 2015
„Storming“ - Szene 2 - Gespräch - Teile 1-2
mark ammern, 14:38h
Ausstattung zu Beginn: Tisch, 3 Stühle, 3 Gläser, einige Flaschen, schwarz ausgehangen, ein Stuhl und ein Glas kommen hinzu.
Beteiligte: Personen 1-4
1/
[Nach Schweigen (und Herumhantieren)]
Person 4 (männlich) [hereinkommend]:
Da seid ihr ja, ihr Aliens! Es war gar nicht einfach, euch zu finden. Und was ist das hier? [Er blickt und zeigt durch den Raum.]
Person 1 (männlich):
Hol dir erstmal einen Stuhl von vorne ...
Person 2 (weiblich):
Und ein Glas ...
Person 4 (männlich):
Wo bin ich hier gelandet? Was für ein Hintersaal. Hier könnte man Theater spielen, würde man es drauf ankommen lassen ...
Person 3 (männlich):
Besorg dir erstmal Stuhl und Glas.
[Er holt sich einen Stuhl und ein Glas von draußen und setzt sich zu den anderen.]
Person 4 (männlich):
Ist das ein ehemaliger Theatersaal? Oder das, was davon übrig blieb? Wird der nicht genutzt?
Person 2 (weiblich):
Fehlender Brandschutz, kaputte Heizung und ... wir mussten unterschreiben, den Raum auf eigene Verantwortung zu betreten.
Person 4 (männlich):
Ooch, erstaunlich [er blickt erneut durch den Raum], ist doch angenehm hier!
Person 2 (weiblich):
Deine Unterschrift fehlt noch. [Sie schiebt ihm den Zettel zu.]
Person 4 (männlich):
[Er liest die Vereinbarung] Und ihr seid euch sicher, dass wir den Abend überleben? [Er schaut auf.]
Person 3 (männlich):
Unterschreib endlich.
Person 4 (männlich):
Hat jemand einen Stift? [Er blickt in die Runde]
Person 2 (weiblich):
[Sie schiebt ihm noch einen Stift hinterher.]
Person 4 (männlich):
Danke. [Er unterschreibt.] Ist das rechtens?
Person 1 (männlich):
Völlig egal. Ohne diesen Zettel und unsere Krakel hätte man uns nicht hineingelassen.
Person 4 (männlich):
Hätte ein Tisch vorne nicht gereicht? Weshalb musste es dieser Raum sein?
Person 3 (männlich):
Die Ruhe! Es ist nur unser Geklapper und Geplapper zu hören. Das war es uns wert. Nicht einmal irgendeine Kneipenmusik.
Person 2 (weiblich):
Kannst du noch ein paar Flaschen besorgen? Inzwischen kennst du ja den Weg.
Person 4 (männlich):
Von diesem Zeug? [Er steht auf, bleibt am Ausgang kurz stehen] Hab ich auch wegen dieser Flaschen unterschieben? [Geht und kommt mit einigen Flaschen zurück, postiert sie zu den anderen auf dem Tisch.]
[Schweigen]
Person 3 (männlich):
[Zu Person 4 gewandt:] Danke, dass auch du gekommen bist. [Zur Runde gerichtet:] Jetzt sind wir alle beisammen. Auch einen Dank an euch. Ich wollte dieses Treffen, um zu fragen, ob jemandem angesichts der neoliberalen Revolution, die nicht bloß eine ökonomische ist, sondern eine gesellschaftliche, etwas einfällt, etwas, das man tun kann.
[Schweigen]
Person 2 (weiblich):
Ich kann das Wort nicht mehr hören, ‚neoliberal‘. Beobachtet man die öffentliche Diskussion, handelt es sich um nicht mehr als um eine ständig wiederholte Floskel. [Zu Person 3 gewandt:] Weißt du mehr?
Person 3 (männlich):
Im Grunde ist es einfach, wobei man über mögliche Bedeutungsanklänge der Vokabel kein Aufhebens machen sollte. Die allgemeine Ausrichtung gilt dem privatwirtschaftlichen Engagement und ist gegen einen aktiven Staat gerichtet. Alles und jedes wird unter marktwirtschaftlichen Kriterien betrachtet und berechnet. Das vereinfacht die Sichtweise, reduziert den Wert eines Engagements letztlich auf die Resultate der Buchhaltung und lässt eventuell mittelfristig die Steuerlast der wirtschaftlich Erfolgreichen senken. Keine Sachfragen mehr, keine Diskussionen, es zählt ausschließlich das wirtschaftliche Ergebnis.
Als kreativ gilt, wer sich die Buchhalternase mit Tonnen von Kokain stopfen könnte, weil er sonst nicht wüsste, wohin mit seinem Geld. Auch Kreativität ist einzig aufs Geldmachen bezogen, auf die Tricks und Finessen, die ein Anhäufen erlauben. Ein anderes Kriterium gibt es nicht mehr. Das gesellschaftliche Gerede von Erfolg, egal ob es um Reichtum oder Zusprache geht, bildet übrigens einen Bodensatz einer solchen Herangehensweise. Sachfragen spielen dabei keine Rolle.
[Schweigen]
2/
[Ausstattung: Tisch, 4 Stühle, 4 Gläser, einige Flaschen, schwarz ausgehangen.
Beteiligte: Personen 1-4]
[Nach einem Schweigen (und Herumhantieren)]
Person 1 (männlich):
Ich versteh nicht ganz, was du willst. Eine Gegenrevolution anzetteln? Mit uns Elenden? Einem kümmerlichen Haufen? Solln wir durch die Gegend ballern, um möglichst alte Werte zu erhalten helfen? Es gab und gibt bereits Rückbesinnungen genug, zum Beispiel im Rahmen der Neotonalität und des Minimal. Nicht selten mit einem schier unerträglichen Pathos auf einem singulären Ton, oder mit Schleifen, die laufen und laufen und laufen, als seien bereits alle, die sie anhalten könnten, tot. Ich müsste gestehen, dass ich solche Rückbesinnungen aufgeblasen und peinlich finde. Musikalisch ist dies bestenfalls viel, viel zu wenig.
Person 3 (männlich):
Das hört sich an, als sei das Weltende schon hinter uns, das soziale. Nein, deine Erläuterung bietet tatsächlich keine Perspektive. Da gebe ich dir Recht. So kämen wir nicht weiter.
[Schweigen]
Person 1 (männlich):
Dann sag doch mal, was du dir vorstellst.
Person 3 (männlich):
Leider bislang nichts. Ich frage euch. Eventuell, mehr als ein mögliches Brainstorming fiel mir nicht ein. Eventuell ist es längst zu spät, steuern wir auf die Gesellschaft eines Finanzadels zu. Auf Bedingungen wie in den USA. Dort greift der Finanzadel auch in die Politik ein, innerhalb der Politik als auch durch Lobbyarbeit, über das initiieren von Gesetzesvorhaben und deren Steuerung. Mit demokratischem Verhalten hat dies nicht mehr viel zu tun.
[Schweigen]
Person 2 (weiblich):
Nichts, nichts als eine Blockade im Gehirn.
[Schweigen]
Person 4 (männlich):
Mannomann! Worüber habt ihr zuvor gesprochen?! Vielleicht hilft eine Auffrischung, um Blockaden zu lösen. Und ich bekomme vielleicht einige Hinweise darüber, was euch unabhängig von Peters Frage beschäftigt. Gibt mir einer von euch einige Andeutungen?
Person 2 (weiblich):
Musik, Literatur, Wirtschaft − und Bildung, hätte ich fast vergessen, obgleich gerade diese vermisst wird. Eine Herausforderung kindlicher Neugierde.
[Schweigen]
Person 4 (männlich):
Mmmm. Kindliche Neugierde?
[Schweigen]
Person 4 (männlich):
Für ein Ausleben von Neugierde wären Künste und Wissenschaften prädestiniert. Eine Buchhaltung mit Sicherheit nicht. Doch je mehr der Laut ‚Kultur‘ fällt, um so weniger ist von Künsten die Rede. Und in den Wissenschaften ist Grundlagenforschung kaum noch finanzierbar. Berechenbar machen, praktische Relevanz, auch dann, wenn es nicht um die Berechnung einer Sache, sondern um deren Erleben unter Konsumenten geht. Diese Verwechslung ist einkalkuliert! Und sie muss, sollen Drittmittel fließen, unter die Labortische fallen. Wie misst man Kreativität: anhand ihres Erfolgs!
[Schweigen]
Person 1 (männlich):
Und nun?
[Schweigen]
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Hier geht es zur Szene 3: http://markammern.blogger.de/20150712/
Beteiligte: Personen 1-4
1/
[Nach Schweigen (und Herumhantieren)]
Person 4 (männlich) [hereinkommend]:
Da seid ihr ja, ihr Aliens! Es war gar nicht einfach, euch zu finden. Und was ist das hier? [Er blickt und zeigt durch den Raum.]
Person 1 (männlich):
Hol dir erstmal einen Stuhl von vorne ...
Person 2 (weiblich):
Und ein Glas ...
Person 4 (männlich):
Wo bin ich hier gelandet? Was für ein Hintersaal. Hier könnte man Theater spielen, würde man es drauf ankommen lassen ...
Person 3 (männlich):
Besorg dir erstmal Stuhl und Glas.
[Er holt sich einen Stuhl und ein Glas von draußen und setzt sich zu den anderen.]
Person 4 (männlich):
Ist das ein ehemaliger Theatersaal? Oder das, was davon übrig blieb? Wird der nicht genutzt?
Person 2 (weiblich):
Fehlender Brandschutz, kaputte Heizung und ... wir mussten unterschreiben, den Raum auf eigene Verantwortung zu betreten.
Person 4 (männlich):
Ooch, erstaunlich [er blickt erneut durch den Raum], ist doch angenehm hier!
Person 2 (weiblich):
Deine Unterschrift fehlt noch. [Sie schiebt ihm den Zettel zu.]
Person 4 (männlich):
[Er liest die Vereinbarung] Und ihr seid euch sicher, dass wir den Abend überleben? [Er schaut auf.]
Person 3 (männlich):
Unterschreib endlich.
Person 4 (männlich):
Hat jemand einen Stift? [Er blickt in die Runde]
Person 2 (weiblich):
[Sie schiebt ihm noch einen Stift hinterher.]
Person 4 (männlich):
Danke. [Er unterschreibt.] Ist das rechtens?
Person 1 (männlich):
Völlig egal. Ohne diesen Zettel und unsere Krakel hätte man uns nicht hineingelassen.
Person 4 (männlich):
Hätte ein Tisch vorne nicht gereicht? Weshalb musste es dieser Raum sein?
Person 3 (männlich):
Die Ruhe! Es ist nur unser Geklapper und Geplapper zu hören. Das war es uns wert. Nicht einmal irgendeine Kneipenmusik.
Person 2 (weiblich):
Kannst du noch ein paar Flaschen besorgen? Inzwischen kennst du ja den Weg.
Person 4 (männlich):
Von diesem Zeug? [Er steht auf, bleibt am Ausgang kurz stehen] Hab ich auch wegen dieser Flaschen unterschieben? [Geht und kommt mit einigen Flaschen zurück, postiert sie zu den anderen auf dem Tisch.]
[Schweigen]
Person 3 (männlich):
[Zu Person 4 gewandt:] Danke, dass auch du gekommen bist. [Zur Runde gerichtet:] Jetzt sind wir alle beisammen. Auch einen Dank an euch. Ich wollte dieses Treffen, um zu fragen, ob jemandem angesichts der neoliberalen Revolution, die nicht bloß eine ökonomische ist, sondern eine gesellschaftliche, etwas einfällt, etwas, das man tun kann.
[Schweigen]
Person 2 (weiblich):
Ich kann das Wort nicht mehr hören, ‚neoliberal‘. Beobachtet man die öffentliche Diskussion, handelt es sich um nicht mehr als um eine ständig wiederholte Floskel. [Zu Person 3 gewandt:] Weißt du mehr?
Person 3 (männlich):
Im Grunde ist es einfach, wobei man über mögliche Bedeutungsanklänge der Vokabel kein Aufhebens machen sollte. Die allgemeine Ausrichtung gilt dem privatwirtschaftlichen Engagement und ist gegen einen aktiven Staat gerichtet. Alles und jedes wird unter marktwirtschaftlichen Kriterien betrachtet und berechnet. Das vereinfacht die Sichtweise, reduziert den Wert eines Engagements letztlich auf die Resultate der Buchhaltung und lässt eventuell mittelfristig die Steuerlast der wirtschaftlich Erfolgreichen senken. Keine Sachfragen mehr, keine Diskussionen, es zählt ausschließlich das wirtschaftliche Ergebnis.
Als kreativ gilt, wer sich die Buchhalternase mit Tonnen von Kokain stopfen könnte, weil er sonst nicht wüsste, wohin mit seinem Geld. Auch Kreativität ist einzig aufs Geldmachen bezogen, auf die Tricks und Finessen, die ein Anhäufen erlauben. Ein anderes Kriterium gibt es nicht mehr. Das gesellschaftliche Gerede von Erfolg, egal ob es um Reichtum oder Zusprache geht, bildet übrigens einen Bodensatz einer solchen Herangehensweise. Sachfragen spielen dabei keine Rolle.
[Schweigen]
2/
[Ausstattung: Tisch, 4 Stühle, 4 Gläser, einige Flaschen, schwarz ausgehangen.
Beteiligte: Personen 1-4]
[Nach einem Schweigen (und Herumhantieren)]
Person 1 (männlich):
Ich versteh nicht ganz, was du willst. Eine Gegenrevolution anzetteln? Mit uns Elenden? Einem kümmerlichen Haufen? Solln wir durch die Gegend ballern, um möglichst alte Werte zu erhalten helfen? Es gab und gibt bereits Rückbesinnungen genug, zum Beispiel im Rahmen der Neotonalität und des Minimal. Nicht selten mit einem schier unerträglichen Pathos auf einem singulären Ton, oder mit Schleifen, die laufen und laufen und laufen, als seien bereits alle, die sie anhalten könnten, tot. Ich müsste gestehen, dass ich solche Rückbesinnungen aufgeblasen und peinlich finde. Musikalisch ist dies bestenfalls viel, viel zu wenig.
Person 3 (männlich):
Das hört sich an, als sei das Weltende schon hinter uns, das soziale. Nein, deine Erläuterung bietet tatsächlich keine Perspektive. Da gebe ich dir Recht. So kämen wir nicht weiter.
[Schweigen]
Person 1 (männlich):
Dann sag doch mal, was du dir vorstellst.
Person 3 (männlich):
Leider bislang nichts. Ich frage euch. Eventuell, mehr als ein mögliches Brainstorming fiel mir nicht ein. Eventuell ist es längst zu spät, steuern wir auf die Gesellschaft eines Finanzadels zu. Auf Bedingungen wie in den USA. Dort greift der Finanzadel auch in die Politik ein, innerhalb der Politik als auch durch Lobbyarbeit, über das initiieren von Gesetzesvorhaben und deren Steuerung. Mit demokratischem Verhalten hat dies nicht mehr viel zu tun.
[Schweigen]
Person 2 (weiblich):
Nichts, nichts als eine Blockade im Gehirn.
[Schweigen]
Person 4 (männlich):
Mannomann! Worüber habt ihr zuvor gesprochen?! Vielleicht hilft eine Auffrischung, um Blockaden zu lösen. Und ich bekomme vielleicht einige Hinweise darüber, was euch unabhängig von Peters Frage beschäftigt. Gibt mir einer von euch einige Andeutungen?
Person 2 (weiblich):
Musik, Literatur, Wirtschaft − und Bildung, hätte ich fast vergessen, obgleich gerade diese vermisst wird. Eine Herausforderung kindlicher Neugierde.
[Schweigen]
Person 4 (männlich):
Mmmm. Kindliche Neugierde?
[Schweigen]
Person 4 (männlich):
Für ein Ausleben von Neugierde wären Künste und Wissenschaften prädestiniert. Eine Buchhaltung mit Sicherheit nicht. Doch je mehr der Laut ‚Kultur‘ fällt, um so weniger ist von Künsten die Rede. Und in den Wissenschaften ist Grundlagenforschung kaum noch finanzierbar. Berechenbar machen, praktische Relevanz, auch dann, wenn es nicht um die Berechnung einer Sache, sondern um deren Erleben unter Konsumenten geht. Diese Verwechslung ist einkalkuliert! Und sie muss, sollen Drittmittel fließen, unter die Labortische fallen. Wie misst man Kreativität: anhand ihres Erfolgs!
[Schweigen]
Person 1 (männlich):
Und nun?
[Schweigen]
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