Donnerstag, 9. Juli 2015
„Storming“ - Szene 1 - Gespräch, Teil 1
[Der Ort des Geschehens: Ein ehemaliges Theater.
Gesamtbedarf in „Storming“ an Personen: Personen 1-4 (Karl, Peter, Jens, Betty); jemand aus der Szene, ein Pizzabote, können von derselben Person gespielt werden; eine Gruppe (Kneipen-Szene)
Das Thema des Stücks wird durch eine Frage von Person 3 gefasst: "ob jemandem angesichts der neoliberalen Revolution, die nicht bloß eine ökonomische ist, sondern eine gesellschaftliche, etwas einfällt, etwas, das man tun kann".
Musik: Helge Bol (Modular, Mood I+II), konventionelle Pop-Musik beim Auftritt der Szene]

Ausstattung (Szene 1.1): Tisch, 3 Stühle, 3 Gläser, einige Flaschen, schwarz ausgehangen
Beteiligte: Personen 1-3


[Nach einem langen Schweigen (und Herumhantieren)]

Person 1 (männlich):
Nehmen wir Musik …

Person 2 (weiblich):
Wie - und wohin?

Person 1 (männlich):
Darf ich hier nicht normal sprechen?

Person 2 (weiblich):
‚Normal sprechen’? Was könnte dies sein? Das umgangssprachliche Geschehen, das verlautet, als hätte jemand etwas gesagt?

Person 3 (männlich):
So kommen wir nicht weiter, im Gespräch. Nicht mal zu einem Anfang!

Person 2 (weiblich):
Weshalb wäre anzufangen? Und wie, ohne Sprache.

Person 3 (männlich):
Sollten wir uns anschweigen? Ist denn Umgangssprache nicht besser als gar keine?

Person 1 (männlich):
Wäre es verfehlt, zum Beispiel über Musik zu sprechen? Wäre dies angemessener formuliert? Es gibt genug, das mich nervt, ich will nicht noch über Wörter streiten.

Person 2 (weiblich):
Erst durch Worte wäre erfahrbar, worüber gesprochen wird, oder gesprochen werden könnte. Eventuell besteht lediglich die Möglichkeit zu raunen und zu jaulen? Sogar davon verstehen wir nichts, berücksichtigten wir die übrige Tierwelt. ‚Normal‘ zu sprechen unterliegt den schwierig zu vermittelnden Konventionen, die völlig unerheblich sein könnten. Nehmen wir Musik: Für die meisten Menschen ist dies kaum mehr als ein Bauchgefühl, egal ob ein pophafter Bass die Magenwände vibrieren lässt oder romantische Streicher das Hirn vernebeln. Konventionell gibt es gar keine Musik, ist von Musik nicht Rede …

Person 3 (männlich):
Ich schätze, Karl wollte auf Ähnliches hinaus. Um dies mal zu erläutern: Die Leute sprechen nicht über Musik, die ist für sie gar nicht fassbar, lediglich über ihre Gefühle, ihr Erleben.

Person 1 (männlich):
Niemand muss mich erläutern. Zeitgenössische Musik ist öffentlich nur noch in mitternächtlichen Radioprogrammen zu hören, weil kaum jemand etwas damit anfangen kann, allenfalls einige aussterbenden Fach-Redakteure, die mal studiert hatten.

Person 2 (weiblich):
Und wer weiß etwas über Sprache? Ich höre allenfalls DUDEN, DUDEN. Als sei der für irgendetwas gut! Wie könnte über Musik gesprochen werden, wenn von Sprache nichts bekannt ist, bestenfalls ein paar redaktionell aufbereitete Vokabeln und Regeln.

Person 3 (männlich):
Hat die Bildung versagt?

Person 1 (männlich):
Seien wir doch ehrlich: Es gibt gar keine. Alle kindliche Neugierde wird in vermittelten Konventionen erstickt. Wenn dies Bildung wäre, müsste über ein Plattkloppen gespochen werden. Nur dies ist, darin ist sich die Politik weitgehend einige, gesellschaftlich nutzbringend. Gestritten wird über das Wie.

[Schweigen]

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Hier geht es zur gesamten Szene 1: http://markammern.blogger.de/20150710/

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