Samstag, 11. Juli 2015
„Storming“ - Szene 2 - Gespräch - Teile 1-2
Ausstattung zu Beginn: Tisch, 3 Stühle, 3 Gläser, einige Flaschen, schwarz ausgehangen, ein Stuhl und ein Glas kommen hinzu.
Beteiligte: Personen 1-4


1/
[Nach Schweigen (und Herumhantieren)]

Person 4 (männlich) [hereinkommend]:
Da seid ihr ja, ihr Aliens! Es war gar nicht einfach, euch zu finden. Und was ist das hier? [Er blickt und zeigt durch den Raum.]

Person 1 (männlich):
Hol dir erstmal einen Stuhl von vorne ...

Person 2 (weiblich):
Und ein Glas ...

Person 4 (männlich):
Wo bin ich hier gelandet? Was für ein Hintersaal. Hier könnte man Theater spielen, würde man es drauf ankommen lassen ...

Person 3 (männlich):
Besorg dir erstmal Stuhl und Glas.

[Er holt sich einen Stuhl und ein Glas von draußen und setzt sich zu den anderen.]

Person 4 (männlich):
Ist das ein ehemaliger Theatersaal? Oder das, was davon übrig blieb? Wird der nicht genutzt?

Person 2 (weiblich):
Fehlender Brandschutz, kaputte Heizung und ... wir mussten unterschreiben, den Raum auf eigene Verantwortung zu betreten.

Person 4 (männlich):
Ooch, erstaunlich [er blickt erneut durch den Raum], ist doch angenehm hier!

Person 2 (weiblich):
Deine Unterschrift fehlt noch. [Sie schiebt ihm den Zettel zu.]

Person 4 (männlich):
[Er liest die Vereinbarung] Und ihr seid euch sicher, dass wir den Abend überleben? [Er schaut auf.]

Person 3 (männlich):
Unterschreib endlich.

Person 4 (männlich):
Hat jemand einen Stift? [Er blickt in die Runde]

Person 2 (weiblich):
[Sie schiebt ihm noch einen Stift hinterher.]

Person 4 (männlich):
Danke. [Er unterschreibt.] Ist das rechtens?

Person 1 (männlich):
Völlig egal. Ohne diesen Zettel und unsere Krakel hätte man uns nicht hineingelassen.

Person 4 (männlich):
Hätte ein Tisch vorne nicht gereicht? Weshalb musste es dieser Raum sein?

Person 3 (männlich):
Die Ruhe! Es ist nur unser Geklapper und Geplapper zu hören. Das war es uns wert. Nicht einmal irgendeine Kneipenmusik.

Person 2 (weiblich):
Kannst du noch ein paar Flaschen besorgen? Inzwischen kennst du ja den Weg.

Person 4 (männlich):
Von diesem Zeug? [Er steht auf, bleibt am Ausgang kurz stehen] Hab ich auch wegen dieser Flaschen unterschieben? [Geht und kommt mit einigen Flaschen zurück, postiert sie zu den anderen auf dem Tisch.]

[Schweigen]

Person 3 (männlich):
[Zu Person 4 gewandt:] Danke, dass auch du gekommen bist. [Zur Runde gerichtet:] Jetzt sind wir alle beisammen. Auch einen Dank an euch. Ich wollte dieses Treffen, um zu fragen, ob jemandem angesichts der neoliberalen Revolution, die nicht bloß eine ökonomische ist, sondern eine gesellschaftliche, etwas einfällt, etwas, das man tun kann.

[Schweigen]

Person 2 (weiblich):
Ich kann das Wort nicht mehr hören, ‚neoliberal‘. Beobachtet man die öffentliche Diskussion, handelt es sich um nicht mehr als um eine ständig wiederholte Floskel. [Zu Person 3 gewandt:] Weißt du mehr?

Person 3 (männlich):
Im Grunde ist es einfach, wobei man über mögliche Bedeutungsanklänge der Vokabel kein Aufhebens machen sollte. Die allgemeine Ausrichtung gilt dem privatwirtschaftlichen Engagement und ist gegen einen aktiven Staat gerichtet. Alles und jedes wird unter marktwirtschaftlichen Kriterien betrachtet und berechnet. Das vereinfacht die Sichtweise, reduziert den Wert eines Engagements letztlich auf die Resultate der Buchhaltung und lässt eventuell mittelfristig die Steuerlast der wirtschaftlich Erfolgreichen senken. Keine Sachfragen mehr, keine Diskussionen, es zählt ausschließlich das wirtschaftliche Ergebnis.
Als kreativ gilt, wer sich die Buchhalternase mit Tonnen von Kokain stopfen könnte, weil er sonst nicht wüsste, wohin mit seinem Geld. Auch Kreativität ist einzig aufs Geldmachen bezogen, auf die Tricks und Finessen, die ein Anhäufen erlauben. Ein anderes Kriterium gibt es nicht mehr. Das gesellschaftliche Gerede von Erfolg, egal ob es um Reichtum oder Zusprache geht, bildet übrigens einen Bodensatz einer solchen Herangehensweise. Sachfragen spielen dabei keine Rolle.

[Schweigen]


2/
[Ausstattung: Tisch, 4 Stühle, 4 Gläser, einige Flaschen, schwarz ausgehangen.
Beteiligte: Personen 1-4]


[Nach einem Schweigen (und Herumhantieren)]

Person 1 (männlich):
Ich versteh nicht ganz, was du willst. Eine Gegenrevolution anzetteln? Mit uns Elenden? Einem kümmerlichen Haufen? Solln wir durch die Gegend ballern, um möglichst alte Werte zu erhalten helfen? Es gab und gibt bereits Rückbesinnungen genug, zum Beispiel im Rahmen der Neotonalität und des Minimal. Nicht selten mit einem schier unerträglichen Pathos auf einem singulären Ton, oder mit Schleifen, die laufen und laufen und laufen, als seien bereits alle, die sie anhalten könnten, tot. Ich müsste gestehen, dass ich solche Rückbesinnungen aufgeblasen und peinlich finde. Musikalisch ist dies bestenfalls viel, viel zu wenig.

Person 3 (männlich):
Das hört sich an, als sei das Weltende schon hinter uns, das soziale. Nein, deine Erläuterung bietet tatsächlich keine Perspektive. Da gebe ich dir Recht. So kämen wir nicht weiter.

[Schweigen]

Person 1 (männlich):
Dann sag doch mal, was du dir vorstellst.

Person 3 (männlich):
Leider bislang nichts. Ich frage euch. Eventuell, mehr als ein mögliches Brainstorming fiel mir nicht ein. Eventuell ist es längst zu spät, steuern wir auf die Gesellschaft eines Finanzadels zu. Auf Bedingungen wie in den USA. Dort greift der Finanzadel auch in die Politik ein, innerhalb der Politik als auch durch Lobbyarbeit, über das initiieren von Gesetzesvorhaben und deren Steuerung. Mit demokratischem Verhalten hat dies nicht mehr viel zu tun.

[Schweigen]

Person 2 (weiblich):
Nichts, nichts als eine Blockade im Gehirn.

[Schweigen]

Person 4 (männlich):
Mannomann! Worüber habt ihr zuvor gesprochen?! Vielleicht hilft eine Auffrischung, um Blockaden zu lösen. Und ich bekomme vielleicht einige Hinweise darüber, was euch unabhängig von Peters Frage beschäftigt. Gibt mir einer von euch einige Andeutungen?

Person 2 (weiblich):
Musik, Literatur, Wirtschaft − und Bildung, hätte ich fast vergessen, obgleich gerade diese vermisst wird. Eine Herausforderung kindlicher Neugierde.

[Schweigen]

Person 4 (männlich):
Mmmm. Kindliche Neugierde?

[Schweigen]

Person 4 (männlich):
Für ein Ausleben von Neugierde wären Künste und Wissenschaften prädestiniert. Eine Buchhaltung mit Sicherheit nicht. Doch je mehr der Laut ‚Kultur‘ fällt, um so weniger ist von Künsten die Rede. Und in den Wissenschaften ist Grundlagenforschung kaum noch finanzierbar. Berechenbar machen, praktische Relevanz, auch dann, wenn es nicht um die Berechnung einer Sache, sondern um deren Erleben unter Konsumenten geht. Diese Verwechslung ist einkalkuliert! Und sie muss, sollen Drittmittel fließen, unter die Labortische fallen. Wie misst man Kreativität: anhand ihres Erfolgs!

[Schweigen]

Person 1 (männlich):
Und nun?

[Schweigen]

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Hier geht es zur Szene 3: http://markammern.blogger.de/20150712/

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