Freitag, 18. November 2016
Die Zäsur
Mit etwas Glück befindet sich die Buchbranche im Beginn von Entwicklungen, die noch gar nicht absehbar sind. Technisch und literarisch. Beide Richtungen könnten unabhängig voneinander sein. Das mögliche Gemeinsame wäre allenfalls abstrakt, eventuell derart abstrakt, dass es über angebbare Traditionsbrüche nicht hinauskommen wird. Technisch wäre meines Erachtens die digitale Darstellung von Schrift und von relevantem Design in Readern, ein Design, das Schrift sogar nahezu unleserlich machen könnte, aus groben Anfängen hinauszuführen, literarisch die industriellen Fabrikgelände mit ihren standardisierten Warenformen zu verlassen. Doch beide Einschätzungen führen lediglich Möglichkeiten an. Für manche Branchen-Insider sind die Phasen der digitalen und literarischen Entwicklungen bereits abgeschlossen, die Branche unter der gesellschaftlich neuen Macht von Games zu sterben bereit.

Die Suche nach Geschäftsmodellen, die lediglich kurzfristige und vor allem vertriebliche Entwicklungen zulassen, verstellen mögliche Perspektiven. Veraltete Modelle lassen Hilferufe an die Politik vernehmen, im Namen einer Kultur, von der niemand anzugeben vermag, um was es sich handelt. Gesellschaftlich kann es wie ein breitflächig angelegtes Untergangsszenario wirken, das aus einer inständigen Bewegungslosigkeit, einer eingesetzten Starre resultiert. Mehr als ein sanfter Aufschub des Todes wäre in dieser Weise nicht zu erringen.
Was ist gegen einen Zusammenbruch der Branche einzuwenden, in der die Sparte Literatur kaum noch vertreten ist? Vielleicht hat das Bürgertum ausgedient, in der die Branche anwachsen konnte, weil Literatur als Spiegel der Gesellschaft gefiel und gleichsam normiert wurde. Je mehr von spiegelhafter Kultur gesellschaftlich die Rede war, um so stärker wurde die Kunstsparte vernachlässigt. Inzwischen ist eine literarische Kunst gesellschaftlich weitgehend unbekannt. Sie taugt wenig fürs Geschäft, reizt allenfalls zu einem ergiebigen Kotzen.

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