Montag, 20. Februar 2017
Eine Bedingung (4)
Die Aufwertung all der Möglichkeiten gegenüber der empirischen Wirklichkeit führt allerdings auch zum auktorialen Erzähler zurück. Logisch ist er durchaus möglich, ähnlich wie Gott. Ein solcher Gott stände jedoch als logisch möglicher Sachverhalt lediglich neben vielen anderen Sachverhalten, z.B. neben Papageno, wie der Theologe in meiner ‚Novelle‘ „Papageno in Parga“ erläuterte. Eine Theologie ließe sich auf diese Weise nicht begründen noch erzwingen - auch kein Prophetenmodus in der künstlerischen Literatur. Für einen auktorialen Erzähler würde lediglich die grobe Einfachheit sprechen können, mit der diktiert werden könnte, ähnlich wie für Autokraten oder Tyrannen in der empirischen Politik. Vergleiche mit dem Fliegenschiss Empirie wären also durchaus hilfreich. Mit einer sprachlichen Kunst würde die zu erwartende narzisstische Entladung in der Literatur nichts zu tun haben können, eher mit einem Blöken oder schier unablässigen Plaudern auf einer Apfelsinenkiste im Schrebergarten, freilich bis der Notarzt kommt. Literatur ist aber kein Krankheitsbild, sondern bestenfalls ein intellektuelles Abenteuer.

Aber mich interessiert kein literarisches Ideal, keine Unterteilung in ‚gute‘ oder ‚schlechte‘ Literatur; interessant könnte jedoch sein, was jeweils sachlich einbezogen wurde und was nicht: die sachliche Angemessenheit. Typische Urteile ‚gut‘ oder ‚schlecht‘ erlangen häufig nur instinktgeleitetes Niveau. Der ehemalige Verleger des Hanser Verlages z.B. lud zu einem Essen ein, das letztlich an den gut-bürgerlichen Geschmack appellierte. Auch Geschmack interessiert mich nicht. Eine solche Primitivität könnte ich mir gar nicht erlauben. Sie wäre literarisch schlicht verfehlt.
Ich möchte dieses Paper jedoch nicht nutzen, um auf ein Fehlen von Intellektuellen im deutschsprachigen Raum hinzuweisen oder gar um meine eigenen Schriften zu interpretieren. Auch liegt es mir fern, literaturwissenschaftlich zu arbeiten. Mehr als die Publikation einer (weiteren) Meinung ließe von mir sich nicht anführen, außer einigen konzeptionellen Hinweisen habe ich nichts zu geben.


Literatur

Ammern, M., 2013, Papageno in Parga, eBook, Duisburg.

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Sonntag, 19. Februar 2017
Eine Bedingung (3)
Die Abgrenzung zur Wissenschaft will ich gar nicht vertiefen. Wahrscheinlich ist, dass kaum ein Leser etwas über wissenschaftliche Arbeit weiß, und sie auch gar nicht kennenlernen will. Sie ist sogar ein stark diversifizierter Bereich von Experten geworden, in dem fast nur noch die analytische Philosophie um allgemeine, übergreifende Ansichten ringt.
Außerhalb schwimmen Menschen hingegen einem Meer von Meinungen; dies lässt sich in den sozialen Medien leicht verfolgen, bis hin zu Äußerungen von Wut- und Kulturbürgern.
Meinungsfreiheit ist ein rechtlich wichtiges Gut in unserer Gesellschaft. Auch Wissenschaftler und Philosophen sind darauf angewiesen, spätestens sobald sie ihre jeweiligen Arbeitsbereiche verlassen, falls dies rechtlich überhaupt eine Rolle spielt. Ich muss eingestehen, dass ich als Literat von bürgerlichen Rechten konkret kaum eine Ahnung habe.
Dennoch formuliere ich einen relativ kurzen Zusatz: die Formulierung ‚logisch möglich‘ könnte zu unliebsamen Missverständnissen führen. Logisch möglich sind Sätze, wie viele oder wenige Worte diese auch umfassen, die widerspruchsfrei geäußerten werden können. Wenn die sprachliche Annahme eines sprechenden Butts nicht zu Widersprüchen in einem Text führt, ist die Annahme einer Existenz möglich. Sie bliebe allerdings konzeptionell.

Die Menge an logisch möglichen Sachverhalten ist weitaus größer als die Menge der empirisch möglichen. Veranschaulichen ließe sich dies durch ein verschachteltes Mengenbild: Der größte Kreis würde all die Sachverhalte umfassen, über die widerspruchsfrei gesprochen werden kann. Darin läge ein sehr viel kleinerer Kreis der sich speziell auf empirisch mögliche Sachverhalte konzentrierte, die naturwissenschaftlich unter den Bedingungen der Erde möglich sind. Und ein klitzekleiner Fliegenschiss innerhalb dieses Kreises, kaum zu erkennen, umfasste die entstandene Empirie. Alles zusammen könnte die literarisch relevante Wirklichkeit ausmachen - und all der ‚unsägliche‘ Sinn/Unsinn, der typischerweise durch Meinungsäußerungen verzapft wird.
Es gibt jedoch, darauf ist zum Schluss noch hinzuweisen, ein weiteres mögliches Problem, das speziell in der Physik entdeckt wurde und bis in die Logik reicht. Wenn mikroskopisch kleine Teilchen an zwei verschiedenen Stellen gleichzeitig sein können, wie beobachtet wurde, dann könnten sich Aussagen über ihren Aufenthaltsort, obgleich gemessen wurde, aus logischer Perspektive widersprechen. Eine Lösung könnte eventuell eine dreiwertige, nicht-klassisch Logik bereithalten, in der zu den Werten ‚richtig‘ und ‚falsch‘ eine ‚Nicht-Entscheidbarkeit‘ käme.

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Samstag, 18. Februar 2017
Eine Bedingung (2)
Die Formulierung ‚Spiegel der Gesellschaft‘ ist eine altbürgerliche, relativ eingängige aber misslungene Metapher, mit der die Inhalte eines belletristischen und künstlerischen Buches schlicht entfallen. Sprache scheint gesellschaftlich derart ungewöhnlich und außerordentlich zu sein, dass man auf sie und ihre Anführung am besten verzichtet. Tatsächlich ist sie unter Menschen jedoch selbstverständlich, und wer mit ihr und ihren sozialen Konventionen hadert, zeigt sich gesellschaftlich asozial. So sehen es zumindest nicht wenige ‚Oberlehrer‘, die inzwischen auch durch das Internet streifen, nicht nur durch muffig riechenden Wohnviertel. Die Welt des Internets, der Bits und Bytes, ist übrigens genauso Wirklich wie die Außenwelt, virtuell könnte innerhalb jener allenfalls Dargestelltes sein, ob z.B. Hunde oder Katzen. Sprache jedoch, um auf die Metapher zurückzukommen, könnte gar nicht spiegeln.

Einem Erzähler wäre es aber möglich, sich mittels Sprache auf etwas zu beziehen, doch worauf? Auf die durch menschliche Sinneswahrnehmungen und Hirntätigkeiten erzeugte Wirklichkeit? Es wäre bereits schwierig, sprachliche Bezüge wissenschaftlich abzusichern. Ein angenommenes Vorliegen von Bezügen hat überprüfbar zu sein. Diese methodische Einengung erfolgte u.a. aufgrund der leicht entstehbaren Unsicherheiten im alltäglichen Umgang. Falls künstlerisch erzeugte Figuren ihre figürlich bzw. persönlich geprägten Eindrücke erläutern, dann nicht solche der gesellschaftlichen Wirklichkeit.
Nun kann etwas Außergewöhnliches geschehen: schwindet die Wirklichkeit, die Annahme einer Realität wäre ohnehin Humbug, eröffnen sich weitaus umfangreichere Räume von Möglichkeiten, von empirischen und sogar von logischen. Die empirischen Möglichkeiten sind primär durch probabilistische Naturgesetze beschränkt, logische Möglichkeiten ließen sogar einen Butt (vgl. Grass, G., 1979) sprechen, zumindest solange keine Widersprüchlichen Annahmen getätigt werden. Lediglich Vergleiche mit der Wirklichkeit, falls man einen Zugang hat, ließen sich sich bewerkstelligen.
Es gibt noch einen weiteren Unterschied zu den Wissenschaften. Einzelereignisse sind allenfalls politikwissenschaftlich und historisch relevant und werden i.d.R. zigfach erforscht und diskutiert. Literatur aber ‚lebt‘ erst durch erzählte Einzelfälle, durch sprachliche Besonderheiten.

Selbstverständlich wäre es weiterhin möglich, literarisch einer gesellschaftlichen Wirklichkeit ‚nachzueifern‘, den Erzählern sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten in den Mund zu legen, die quasi einen verbeulten Spiegel erscheinen lassen könnten, es wäre jedoch ebenso möglich, Skurrilitäten Raum zu schaffen, die im Kontext von Worten ‚Wirklichkeit‘ möglich sind. Vielleicht würde sich das experimentelle Niveau von Schriften erhöhen, bereits innerhalb der Romantik gab es ähnliche Bestrebungen, die ziemlich abgedreht anmuten könnten, im vorliegenden Kontext aber stünden relevante Schriften im Rahmen einer wissenschaftlichen Weltanschauung.
Die literarisch vordringlichste Schwierigkeit wäre, Figuren zu schaffen, denen man zutrauen könnte, sich durch solche Wirklichkeiten zu bewegen. Ich habe mich bislang für Künstler entschieden, zwei Tänzer (Modern Dance) und einen Sänger (Bariton), zudem für einen Duisburger Tourismusführer, der an Skurillität kaum zu überbieten ist. Die u.a. von ihnen erzeugten Formen sind freilich alles andere als marktgerecht, sie sind schlicht frei.

Literatur

Grass, G., 1979, Der Butt, Frankfurt a.M.

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