Freitag, 10. Juli 2015
„Storming“ - Szene 1 - Gespräch - Teile 1-3
mark ammern, 12:47h
Ausstattung: Tisch, 3 Stühle, 3 Gläser, einige Flaschen, schwarz ausgehangen
Beteiligte: Personen 1-3
1/
[Nach einem langen Schweigen (und Herumhantieren)]
Person 1 (männlich):
Nehmen wir Musik …
Person 2 (weiblich):
Wie - und wohin?
Person 1 (männlich):
Darf ich hier nicht normal sprechen?
Person 2 (weiblich):
‚Normal sprechen’? Was könnte dies sein? Das umgangssprachliche Geschehen, das verlautet, als hätte jemand etwas gesagt?
Person 3 (männlich):
So kommen wir nicht weiter, im Gespräch. Nicht mal zu einem Anfang!
Person 2 (weiblich):
Weshalb wäre anzufangen? Und wie, ohne Sprache.
Person 3 (männlich):
Sollten wir uns anschweigen? Ist denn Umgangssprache nicht besser als gar keine?
Person 1 (männlich):
Wäre es verfehlt, zum Beispiel über Musik zu sprechen? Wäre dies angemessener formuliert? Es gibt genug, das mich nervt, ich will nicht noch über Wörter streiten.
Person 2 (weiblich):
Erst durch Worte wäre erfahrbar, worüber gesprochen wird, oder gesprochen werden könnte. Eventuell besteht lediglich die Möglichkeit zu raunen und zu jaulen? Sogar davon verstehen wir nichts, berücksichtigten wir die übrige Tierwelt. ‚Normal‘ zu sprechen unterliegt den schwierig zu vermittelnden Konventionen, die völlig unerheblich sein könnten. Nehmen wir Musik: Für die meisten Menschen ist dies kaum mehr als ein Bauchgefühl, egal ob ein pophafter Bass die Magenwände vibrieren lässt oder romantische Streicher das Hirn vernebeln. Konventionell gibt es gar keine Musik, ist von Musik nicht Rede …
Person 3 (männlich):
Ich schätze, Karl wollte auf Ähnliches hinaus. Um dies mal zu erläutern: Die Leute sprechen nicht über Musik, die ist für sie gar nicht fassbar, lediglich über ihre Gefühle, ihr Erleben.
Person 1 (männlich):
Niemand muss mich erläutern. Zeitgenössische Musik ist öffentlich nur noch in mitternächtlichen Radioprogrammen zu hören, weil kaum jemand etwas damit anfangen kann, allenfalls einige aussterbenden Fach-Redakteure, die mal studiert hatten.
Person 2 (weiblich):
Und wer weiß etwas über Sprache? Ich höre allenfalls DUDEN, DUDEN. Als sei der für irgendetwas gut! Wie könnte über Musik gesprochen werden, wenn von Sprache nichts bekannt ist, bestenfalls ein paar redaktionell aufbereitete Vokabeln und Regeln.
Person 3 (männlich):
Hat die Bildung versagt?
Person 1 (männlich):
Seien wir doch ehrlich: Es gibt gar keine. Alle kindliche Neugierde wird in vermittelten Konventionen erstickt. Wenn dies Bildung wäre, müsste über ein Plattkloppen gesprochen werden.Nur dies ist, darin ist sich die Politik weitgehend einige, gesellschaftlich nutzbringend. Gestritten wird über das Wie.
[Schweigen]
----------
2/
[Nach einem Schweigen (und Herumhantieren)]
Person 3 (männlich):
Es gibt übrigens unmusikalische Menschen, sogar tanzend. Die arbeiten richtig hart, schwitzen sogar, treten dennoch daneben, wirklich, neben jeden Takt, so laut er auch geschlagen wird. Auch Krach kommt nicht an.
[Schweigen, die ersten Zigaretten werden angezündet]
Person 2 (weiblich):
Musik ist gesellschaftlich unwichtig, wenn kaum jemand etwas davon versteht, wenn die ansprechbaren Leute bloß durch ihre Gefühle rumpeln oder schweben … Nicht viel anders als gegenüber der Literatur.
Person 1 (männlich):
Musik ist eine Droge! Stille oder Umgebungsgeräusche werden doch kaum noch ertragen! Schau dir die Kopfhörergestalten auf den Straßen an. Deshalb verändert sich in der sogenannten Popkultur allenfalls der Stil, von den Haaren bis zu den Zehennägeln. Die Musik bleibt wie eh und je. Nur die schäumende Wirkung zählt, und mit ihr die jeweilige Farbe.
Wäre es abwegig, anzunehmen, diese in besonderer Weise industriell erzeugte Abhängigkeit führte in eine Beschaffungskriminalität, die den Niedergang der gesamten Branche beschleunigt?
Person 3 (männlich):
Gar nicht so übel, lass sie krepieren, die Industrie. Wären doch nicht alle aus der Branche betroffen.
[Schweigen]
Person 2 (weiblich):
Könnte Literatur eine Droge sein? Und falls dies möglich wäre, wie ließe sich dies erläutern? − Hilft mir jemand? − Niemand? − Ich würde allenfalls auf ein Verschlingen von Genre tippen, so wie man Burger in sich hineinstopft, im gierigen Verlangen nach Fett und Zusatzstoffen. Das würde zur Popmusikdroge passen können, doch im Unterschied zur Musik, von der vielfach nichts bekannt ist, gibt es in Bezug auf Literatur wenigstens einige konditionierte Vokabeln: ‚Geschichte‘ zum Beispiel, aber dieses Wort bezieht sich oft indifferent auf die Handlung als auch die Beschreibung. Es gehört vermutlich zum Leben vieler Menschen, dass Worte und nicht-sprachliche Sachverhalte nicht systematisch geschieden werden.
Person 3 (männlich):
Eine der wirren Konventionen, die gar nicht leicht zu lernen sind?
Person 1 (männlich):
Bist du inzwischen Schriftstellerin, offiziell, oder …
Person 2 (weiblich):
Ich bin keine. Und ich will auch keine werden. Diese Sorgen um ein Auskommen, wegen dem Internet und all dem Digitalen, das würde ich nicht aushalten. An eine Weiterentwicklung von Literatur wäre nicht zu denken. Neues würde nur von den Sorgen ablenken.
Schriftsteller sind Urheber, ähnlich wie Komponisten, haben auch ähnlich schwer zu tragen. Nicht nur an den alten Druckexemplaren. Der Markt verlangt Romane, nicht sonderlich komplexe, aber charmant oder aufregend oder beides. Rasch fassbar. Ob auf der Couch, im Bett oder auf der Parkbank. Solche Lümmel-Merkmale würden mich nicht interessieren.
Einen Einfall muss man allerdings immer noch haben, so etwas wie eine Skizze, die ahnen lassen könnte, was draus wird, einen Strang, an dem ein Schriftsteller aufhängbar wäre, ob von Lesern oder Kritikern, falls es mit dem Stellen der Schrift nicht wunschgemäß klappt.
Genug um Abstand zu nehmen. Schriftstellerin zu werden, wäre das Letzte, das Erbärmlichste, das ich mir vorstellen könnte. Den Strick würde ich mir bereits im Anfang eines Romanprojekts geben, damits ein rasches Ende nimmt.
Person 1 (männlich):
Du erfülltest immerhin eine gesellschaftliche Funktion, wärst legitimiert. Hingegen wäre eine Überfrachtung von Schriftstellern mit Ansprüchen, die sie nicht selber erheben, völlig irrelevant …
Person 2 (weiblich):
Hab ich das getan?
Person 1 (männlich):
Was?
Person 2 (weiblich):
Überfrachten?
Person 3 (männlich):
Sprach sie nicht lediglich darüber, was sie machen bzw. nicht machen würde? Das hatte zwar etwas Hinterhältiges …
Person 1 (männlich):
Ok ok.
[Schweigen]
----------
3/
[Nach einem Schweigen (und Herumhantieren)]
Person 1 (männlich):
Ein gesellschaftliches Nutzvieh zu sein, ist unter Menschen eine geschätzte Aufgabe …
Person 3 (männlich):
Sind wir keine Menschen?
Person 1 (männlich):
Wer weiß. Verfügst du über eine amtliche Bestätigung?
Person 2 (weiblich):
Eine abgegrenzte Funktion inne zu haben, ist gesellschaftlich durchaus erstrebenswert, in der Arbeit als auch privat. Die Aufgabenteilungen machen das Leben leichter. Alles wird gesplittet: vom erlernbaren Wissen bis zur Verantwortung ...
Person 3 (männlich):
Bis etwas mit etwas zusammenhängt, dann entsteht ein überraschtes Achselzucken. Bedenkt die Wirtschaftskrisen des 20. Jhds. Rein ökonomische Betrachtungsweisen erzeugten aus der Ökonomie eine mathematische Metaphysik. Und dies im 20. Jhd. Ein dunkles Mittelalter, unter dem strahlend reinen Licht der verbogenen Linse. Aus soviel haarsträubender Dummheit ließe sich nicht einmal n Slapstick machen.
[Schweigen]
Person 1 (männlich):
Was machen wir hier?
[Schweigen, Stöhnen, Achselzucken, Stöhnen, Schweigen]
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Hier geht es zur Szene 2: http://markammern.blogger.de/20150711/
Beteiligte: Personen 1-3
1/
[Nach einem langen Schweigen (und Herumhantieren)]
Person 1 (männlich):
Nehmen wir Musik …
Person 2 (weiblich):
Wie - und wohin?
Person 1 (männlich):
Darf ich hier nicht normal sprechen?
Person 2 (weiblich):
‚Normal sprechen’? Was könnte dies sein? Das umgangssprachliche Geschehen, das verlautet, als hätte jemand etwas gesagt?
Person 3 (männlich):
So kommen wir nicht weiter, im Gespräch. Nicht mal zu einem Anfang!
Person 2 (weiblich):
Weshalb wäre anzufangen? Und wie, ohne Sprache.
Person 3 (männlich):
Sollten wir uns anschweigen? Ist denn Umgangssprache nicht besser als gar keine?
Person 1 (männlich):
Wäre es verfehlt, zum Beispiel über Musik zu sprechen? Wäre dies angemessener formuliert? Es gibt genug, das mich nervt, ich will nicht noch über Wörter streiten.
Person 2 (weiblich):
Erst durch Worte wäre erfahrbar, worüber gesprochen wird, oder gesprochen werden könnte. Eventuell besteht lediglich die Möglichkeit zu raunen und zu jaulen? Sogar davon verstehen wir nichts, berücksichtigten wir die übrige Tierwelt. ‚Normal‘ zu sprechen unterliegt den schwierig zu vermittelnden Konventionen, die völlig unerheblich sein könnten. Nehmen wir Musik: Für die meisten Menschen ist dies kaum mehr als ein Bauchgefühl, egal ob ein pophafter Bass die Magenwände vibrieren lässt oder romantische Streicher das Hirn vernebeln. Konventionell gibt es gar keine Musik, ist von Musik nicht Rede …
Person 3 (männlich):
Ich schätze, Karl wollte auf Ähnliches hinaus. Um dies mal zu erläutern: Die Leute sprechen nicht über Musik, die ist für sie gar nicht fassbar, lediglich über ihre Gefühle, ihr Erleben.
Person 1 (männlich):
Niemand muss mich erläutern. Zeitgenössische Musik ist öffentlich nur noch in mitternächtlichen Radioprogrammen zu hören, weil kaum jemand etwas damit anfangen kann, allenfalls einige aussterbenden Fach-Redakteure, die mal studiert hatten.
Person 2 (weiblich):
Und wer weiß etwas über Sprache? Ich höre allenfalls DUDEN, DUDEN. Als sei der für irgendetwas gut! Wie könnte über Musik gesprochen werden, wenn von Sprache nichts bekannt ist, bestenfalls ein paar redaktionell aufbereitete Vokabeln und Regeln.
Person 3 (männlich):
Hat die Bildung versagt?
Person 1 (männlich):
Seien wir doch ehrlich: Es gibt gar keine. Alle kindliche Neugierde wird in vermittelten Konventionen erstickt. Wenn dies Bildung wäre, müsste über ein Plattkloppen gesprochen werden.Nur dies ist, darin ist sich die Politik weitgehend einige, gesellschaftlich nutzbringend. Gestritten wird über das Wie.
[Schweigen]
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2/
[Nach einem Schweigen (und Herumhantieren)]
Person 3 (männlich):
Es gibt übrigens unmusikalische Menschen, sogar tanzend. Die arbeiten richtig hart, schwitzen sogar, treten dennoch daneben, wirklich, neben jeden Takt, so laut er auch geschlagen wird. Auch Krach kommt nicht an.
[Schweigen, die ersten Zigaretten werden angezündet]
Person 2 (weiblich):
Musik ist gesellschaftlich unwichtig, wenn kaum jemand etwas davon versteht, wenn die ansprechbaren Leute bloß durch ihre Gefühle rumpeln oder schweben … Nicht viel anders als gegenüber der Literatur.
Person 1 (männlich):
Musik ist eine Droge! Stille oder Umgebungsgeräusche werden doch kaum noch ertragen! Schau dir die Kopfhörergestalten auf den Straßen an. Deshalb verändert sich in der sogenannten Popkultur allenfalls der Stil, von den Haaren bis zu den Zehennägeln. Die Musik bleibt wie eh und je. Nur die schäumende Wirkung zählt, und mit ihr die jeweilige Farbe.
Wäre es abwegig, anzunehmen, diese in besonderer Weise industriell erzeugte Abhängigkeit führte in eine Beschaffungskriminalität, die den Niedergang der gesamten Branche beschleunigt?
Person 3 (männlich):
Gar nicht so übel, lass sie krepieren, die Industrie. Wären doch nicht alle aus der Branche betroffen.
[Schweigen]
Person 2 (weiblich):
Könnte Literatur eine Droge sein? Und falls dies möglich wäre, wie ließe sich dies erläutern? − Hilft mir jemand? − Niemand? − Ich würde allenfalls auf ein Verschlingen von Genre tippen, so wie man Burger in sich hineinstopft, im gierigen Verlangen nach Fett und Zusatzstoffen. Das würde zur Popmusikdroge passen können, doch im Unterschied zur Musik, von der vielfach nichts bekannt ist, gibt es in Bezug auf Literatur wenigstens einige konditionierte Vokabeln: ‚Geschichte‘ zum Beispiel, aber dieses Wort bezieht sich oft indifferent auf die Handlung als auch die Beschreibung. Es gehört vermutlich zum Leben vieler Menschen, dass Worte und nicht-sprachliche Sachverhalte nicht systematisch geschieden werden.
Person 3 (männlich):
Eine der wirren Konventionen, die gar nicht leicht zu lernen sind?
Person 1 (männlich):
Bist du inzwischen Schriftstellerin, offiziell, oder …
Person 2 (weiblich):
Ich bin keine. Und ich will auch keine werden. Diese Sorgen um ein Auskommen, wegen dem Internet und all dem Digitalen, das würde ich nicht aushalten. An eine Weiterentwicklung von Literatur wäre nicht zu denken. Neues würde nur von den Sorgen ablenken.
Schriftsteller sind Urheber, ähnlich wie Komponisten, haben auch ähnlich schwer zu tragen. Nicht nur an den alten Druckexemplaren. Der Markt verlangt Romane, nicht sonderlich komplexe, aber charmant oder aufregend oder beides. Rasch fassbar. Ob auf der Couch, im Bett oder auf der Parkbank. Solche Lümmel-Merkmale würden mich nicht interessieren.
Einen Einfall muss man allerdings immer noch haben, so etwas wie eine Skizze, die ahnen lassen könnte, was draus wird, einen Strang, an dem ein Schriftsteller aufhängbar wäre, ob von Lesern oder Kritikern, falls es mit dem Stellen der Schrift nicht wunschgemäß klappt.
Genug um Abstand zu nehmen. Schriftstellerin zu werden, wäre das Letzte, das Erbärmlichste, das ich mir vorstellen könnte. Den Strick würde ich mir bereits im Anfang eines Romanprojekts geben, damits ein rasches Ende nimmt.
Person 1 (männlich):
Du erfülltest immerhin eine gesellschaftliche Funktion, wärst legitimiert. Hingegen wäre eine Überfrachtung von Schriftstellern mit Ansprüchen, die sie nicht selber erheben, völlig irrelevant …
Person 2 (weiblich):
Hab ich das getan?
Person 1 (männlich):
Was?
Person 2 (weiblich):
Überfrachten?
Person 3 (männlich):
Sprach sie nicht lediglich darüber, was sie machen bzw. nicht machen würde? Das hatte zwar etwas Hinterhältiges …
Person 1 (männlich):
Ok ok.
[Schweigen]
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3/
[Nach einem Schweigen (und Herumhantieren)]
Person 1 (männlich):
Ein gesellschaftliches Nutzvieh zu sein, ist unter Menschen eine geschätzte Aufgabe …
Person 3 (männlich):
Sind wir keine Menschen?
Person 1 (männlich):
Wer weiß. Verfügst du über eine amtliche Bestätigung?
Person 2 (weiblich):
Eine abgegrenzte Funktion inne zu haben, ist gesellschaftlich durchaus erstrebenswert, in der Arbeit als auch privat. Die Aufgabenteilungen machen das Leben leichter. Alles wird gesplittet: vom erlernbaren Wissen bis zur Verantwortung ...
Person 3 (männlich):
Bis etwas mit etwas zusammenhängt, dann entsteht ein überraschtes Achselzucken. Bedenkt die Wirtschaftskrisen des 20. Jhds. Rein ökonomische Betrachtungsweisen erzeugten aus der Ökonomie eine mathematische Metaphysik. Und dies im 20. Jhd. Ein dunkles Mittelalter, unter dem strahlend reinen Licht der verbogenen Linse. Aus soviel haarsträubender Dummheit ließe sich nicht einmal n Slapstick machen.
[Schweigen]
Person 1 (männlich):
Was machen wir hier?
[Schweigen, Stöhnen, Achselzucken, Stöhnen, Schweigen]
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