Samstag, 18. März 2017
Die Durchführung (6)
Der Einbezug logischer Möglichkeiten kann den Blick auf die historisch entstandene Literatur der Romantik verändern, besonders auf Präferierungen von skurrilen Figuren, scheinbar formlosen Gestaltungen und dem Bemühen, unkonventionelle Ereignisse schriftlich zu erfassen.
Es gäbe aber keinen Weg zurück! Die Perspektive würde sich nur aus einer wissenschaftlichen Sicht ergeben, die der Logik überhaupt einen Platz einräumt, nicht einmal in ‚Rationalität‘ aufgehen lässt, die sich primär auf ein Handeln bezöge und kausal zu untersuchen wäre, auch nicht unter ‚Phantastik‘ bzw. ‚Fantasy‘ in eine Irrationalität abgleitete, die der heutigen Genre-Literatur nahe käme. Mir ist aus jener Zeitspanne nur Lewis Carroll bekannt, der als Autor und Mathematiker gegen solche irrationalen Versuchungen immun war.

Dieter E. Zimmer hat sich 1980 in einer Rezension anlässlich von Neuausgaben mit ‚Alice im Wunderland‘ beschäftigt. Eine Frage nach logischen Möglichkeiten kam erst gar nicht auf. Er setzte in seinem Text mit dem Kartenkönig an, der das Nicht-Vorhandenseins eines Sinns in einem verlesenen Gedicht mit der Bemerkung kommentierte, dann auch keinen suchen zu müssen.
Zimmer formulierte einen Einwand: „Doch mit dem Nonsens verhält es sich so: Je reiner und haltloser er ist, je befreiter die Phantasie, desto beliebiger und öder wirkt er auch; die freie Assoziation ist allenfalls noch von klinischem Interesse. Nur jene Phantastik kann auf größeres Einverständnis hoffen, die eine untergründige Liaison zur Rationalität und zum Rationalitätsprinzip unterhält.“ (Vgl. Zimmer, D. E., 1980) Er nimmt die Logik nicht einmal zur Kenntnis, geht direkt über zu einer eingeschränkten Rationalität, wie sie z.B. innerhalb der älteren Ökonomie bekannt war und noch vertreten wird.
Man könnte es als großes Glück betrachten, dass Zimmer den Buchtext nicht vollkommen aus den Augen verlor. Ihn interessierte immerhin die literarisch angelegte soziale Entwicklung von Alice: „Sie hat erfahren, daß sie in dem Konzert der Unsinnigkeiten sich selber vertrauen muß und nur sich selber vertrauen kann.“ (Vgl. ebd.)
Die Konzentration auf die Figur kann freilich auch den vermuteten Lesern der Rezension geschuldet sein. Es ließen sich jedoch begründbare Zweifel anhand der einzigen Textpassage formulieren, in der überhaupt relevante Worte auftauchen: „Entweder sind sie [die Sprüche, der Autor] von einer irritierenden wörtlichen Logik, oder sie sind von einer irritierenden sprunghaften Unlogik - in jedem Fall gibt es ihre normale Verständigungsebene nicht mehr.“ (Vgl. ebd.) Eine ‚normale Verständigungsebene‘, das wird durch Lewis Carroll literarisch offengelegt, gibt es überhaupt nicht, allenfalls eine Umgangssprache. ‚Alice im Wunderland‘ ließe sich, dies sei abschließend hervorgehoben, aber als eine Sprachkritik lesen.

Literatur

Zimmer, D. E., 1980, Lewis Carroll: Alice im Wunderland (http://www.zeit.de/1980/19/alice-im-wunderland/komplettansicht)

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