Donnerstag, 7. August 2014
Siechenhaus (VII)
XII

Leben und Tod auf der Straße gehört bereits zum Alltag, auch hier in Hochfeld. Eine alte Frau zog jahrelang mit zerfetzter Kleidung, einigen Tüten und machmal mit einem klapprigen Handwagen durch den Stadtteil. Sie starb unter den Arkaden, einer ehemaligen Einkaufsmeile, die von Schnellimbissen, einem Internetcafé mit Wechselstube und einem Spielsalon genutzt wird. Die Müllabfuhr fand sie an einem Morgen, wie aus einer Pressenotiz zu lesen war, den Nacken zurückgebogen, mit offenem Mund, den Hinterkopf im Rinnstein. Und rief einen Rettungswagen. Es war zu spät. In Duisburg kein Einzelfall. Doch dies wird erst der Anfang sein, wenn solche Vorkommnisse in größerer Anzahl geschehen. In Straßen, Hauseingängen, in Parks: in massenhafter Variation.

Danke für die Unterstützung. Ich benötige Sie später noch einmal. Sie müssen mir in Sachen Kultur helfen. Wir haben sie im Klinikum abgeschafft! Auch Natur ist nicht mehr Natur. Aber ganz verstanden habe ich diese Vorgänge nicht, denn Künste und Traktate werden von unseren Patienten gepflegt. - Sie müssen wissen, dass eine bereichernde Beschäftigung, ja eine Herausforderung für die alten Menschen lebenwichtig ist, um nicht vorzeitig zu verkümmern. Aber zurück zu den Knochen und Gelenken: Im Laufe der Jahrzehnte verschleißt nicht nur das menschliche Skelett, es können heftige Reumaschübe, Knochenverformungen, sogar ein Zerbröseln auftreten. Wunder sind leider nicht zu vollbringen, auch nicht von unseren Ärzten. Eine Heilung, die normalerweise mit einer Erkrankung assoziiert wird, ist nur in seltenen Fällen möglich. Alterbedingte Prozesse sind unumkehrbar. Wir sehen es deshalb als unsere Aufgabe an, unseren Patienten das Leiden zu erleichtern. Dabei helfen auch kuriose Geräte wie dieser Galgen, mit dem das Skelett in der Länge gestreckt werden kann.


XIII

Sie hatten uns vom Himmel im Haus erzählt. Ist die Klinik eine christliche Einrichtung, gehören Sie zu einer Kirche? Gibt es keine Gleichbehandlung?

Genau das wollte ich auch schon längst fragen!

Nein. Wir mussten uns entscheiden. Die Simulation eines muslimischen Paradiess hätte uns überfordert. Eine Gleichbehandlung, die über religiöse Differenzen hinausweist, wäre unserem Anliegen und der typischen Degeneration von Patienten zuwidergelaufen. Wir hätten lediglich Sterbebetten anbieten können. Es gibt muslimische Einrichtungen, wie dort verfahren wird, ist mir jedoch unbekannt.

Dann sind sie nicht kirchlich, und trotzdem behandeln sie nicht alle gleich? Ist das nicht skandalös? Die Klinik kann doch nicht einfach gegen Gesetze verstoßen, so wie es ihr passt! Nicht dass ich hier für den Islam spreche, doch wenn es ums Recht geht, dann werde ich fuchsteufelswild. Dann müssen halt alle in Reih und Glied … !

Unser Klinikum macht ein Angebot, jedoch nicht für jeden. Das wäre von uns nicht leistbar.

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