Donnerstag, 23. Juli 2015
„Storming“ - Szene 9 - Ende
Ausstattung: Treppenstufen (zur Vorbühne) des ehemaligen Theatereingangs, rücklings die
aufgemalte Front der Szenekneipe mit einer Theke, wo ehemals die Garderobe war, falls dies
relevant ist; das Lokal ist dunkel und inzwischen geschlossen

Beteiligte: Personen 1-4, ein Pizzabote
[Alle sitzen oder stehen vor dem Kneipeneingang, nach einem kurzen Schweigen]

Person 1 (männlich):
Vielleicht hätte ich mich mehr anstrengen sollen, besoffen zu bleiben. Es ist trist [er dreht und
wendet den Kopf] hier.

Person 2 (weiblich):
Untersuchungen nach war und ist Disziplin in der Gesellschaft zum populärsten Wert herangereift.
Die veränderte Ausrichtung drang offenbar bis in die Szene. Bunte Kleidung, zerpflückte Perücken,
geschniegelte Hirne.

[Schweigen]

Person 2 (weiblich):
Hat noch jemand Hunger? [Sie dreht und wendet den Kopf.] Ich könnte Pizzas kommen lassen. [Sie
zückt ein Mobile.]

[Schweigen]

Person 2 (weiblich):
Sprecht ihr nicht mehr mit mir? - Margheritas? - Egal? - Ich lasse vier kommen! [Sie bestellt.]

[Schweigen]

Person 1 (männlich):
Viel mehr als Gequatsche war das aber nicht, sieht man vom ausgiebigen Schweigen einmal ab, das
wir einander boten. Ich stelle mir gerade vor, man hätte uns belauscht: Der größte Vorteil wäre,
kaum jemand hätte etwas von unseren Auswürfen verstanden.

[Die anderen schauen zu ihm, schweigen]

Person 3 (männlich):
Mehr als ein Storming war nicht intendiert, auch falls es frustrierend war. Vielleicht könnte das
Gespräch fortgesetzt werden, später mal. Nach etwas intensiverer Vorbereitung.

Person 1 (männlich):
Besser nicht. Es ließe sich sachlich nicht einmal auf eine Neugierde der Menschen setzen. Neues
hat ihnen Bekanntes zu sein, nur ein bisschen anders. Völlig Neues, das wäre ja Unsinn! - Ihr leidet
an einem Helfer-Syndrom. Keine intensiverer Vorbereitung, eine Therapie!

[Schweigen]

Person 3 (männlich):
Denkt ihr ebenso?

Person 4 (männlich):
War und ist nicht immer wieder von ihnen zu lesen, dass sie intelligent seien, sogar im Hinblick auf
mögliches außerirdisches Leben. Wenn sie glauben, sich eine solche Borniertheit leisten zu können,
dann lass sie.

Person 2 (weiblich):
Nun gut [sie atmet auf], das wars. Adé. Ihr wisst wie und wo ihr mich erreichen könnt. [Sie tritt ab.]

Person 1 (männlich):
Wir hören voneinander. [Auch er tritt ab.]

[Personen 3 + 4 geben sich die Hand, umarmen sich und treten gleichfalls ab]

[Stille - Stille - Stille - Stille]

[Schließlich erscheint der Pizzabote von einer Seite, mit einer Warmhaltebox]

- ENDE -

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Montag, 20. Juli 2015
„Storming“ - Szene 8 - Mix - Teile 1-3
1/
Ausstattung: Tisch, 4 Stühle, 4 Gläser, einige Flaschen, schwarz ausgehangen

Beteiligte: Personen 1-4

[Alle sitzen am Tisch, nach einem kurzen Schweigen]

Person 4 (männlich):
[Zu Person 3 gewandt:] Dein unspezifisches Anliegen, etwas tun zu wollen, überfordert …

Person 2 (weiblich):
Genau. Wo und wie könnte man anfangen, wie und wo aufhören? Meinem Eindruck nach [sie lächelt Person 1 zu] ist primativ alles schief gegangen …

Person 1 (männlich):
Es wäre ohnehin unwahrscheinlich, auf Resonanz zu stoßen. Oder wollt ihr euch als Weltraum-Nomaden outen. Die Einweisung in eine geschlossene Psychiatrie wäre euch ziemlich sicher.

Person 4 (männlich):
Es bliebe allenfalls, sich auf etwas relativ Spezielles zu beschränken, zum Beispiel auf die Künste in der Gesellschaft.

Person 3 (männlich):
Und? Der Vorschlag klingt doch gar nicht schlecht. Einige Bedingungen formulieren? Wäre ein Anfang.

Person 4 (männlich):
Wir können es versuchen. Erreicht wäre, falls es uns gelingt, aber nichts. Daran sind wir jedoch gewöhnt …

Person 2 (weiblich):
Eine Liste von Forderungen? Ein Kommuniqué? Keine Lust!

Person 4 (männlich):
Forderungen? Wir wären ein miserabler Kultur- oder Sonstwasrat! Nein, mich interessiert etwas anderes. Die traditionellen bürgerlichen Welten zerfallen doch schon seit Jahrzehnten, unabhängig von dem neoliberalen Engagement. Die Konzentration auf eine Buchhaltung hat diesen Prozess nur beschleunigt. Die Frage wäre, ob es eine Alternative geben könnte, die sich offener, vielfältiger entwickelt, ohne aus künstlerischer Perspektive seichter zu werden.

Person 2 (weiblich):
Eine Erörterung von Möglichkeiten, Chancen? Eine künstlerische Perspektive? Das klingt weitaus besser …

Person 3 (männlich):
Auch Publikum, Leser, Hörer wären zu berücksichtigen. Doch wie kann geholfen werden, wenn ihnen Wege fehlen, Fremdes niederschwellig kennenzulernen und Vertrauen in eine Neugierde zu
gewinnen, die ihnen einst ausgetrieben wurde?

Person 1 (männlich):
Und schon stehen wir vor den Erziehern des Menschengeschlechts, die seit der Französischen
Revolution die Arschbacken zusammenkneifen, sobald auch nur ein Hauch von Freiheit und Autonomie zu spüren ist.


2/
Ausstattung: Tisch, 4 Stühle, 4 Gläser, einige Flaschen, schwarz ausgehangen

Beteiligte: Personen 1-4, jemand aus der Kneipe

Bewegung /Tanz: Es gilt, was bereits im Kontext von Modular darüber gesagt wurde.

[Personen 1-4 sitzen am Tisch, nach einem kurzen Schweigen]

Person 4 (männlich):
Was für eine außergewöhnliche Formulierung: ‚Vertrauen in eine Neugierde gewinnen‘. Diese ließe
sich auf Künstler wie auf potentielle Konsumenten beziehen. Eine Erwartungshaltung wird berücksichtigt, ebenso eine Form des Umgangs!
[Zu Person 2 gewandt:] Du hattest von einem Autopiloten gesprochen, [zu allen gewandt:]
technisch würde man wahrscheinlich von einem sich selber regulierenden System sprechen, wobei
offen bliebe, ob es Systeme überhaupt geben kann, [erneut zu Person 2 gewandt:] der Grad an
sprachlicher Allgemeinheit noch plausible Bezüge erlaubt. [Zu allen gewandt:] Einfacher und
treffender wäre im bildhaften Kontext als auch im vorliegenden Zusammenhang die Vokabel
‚Autonomie‘.

Person 1 (männlich):
Lange halte ich das nicht mehr aus. Je mehr ich trinke, [seine Hand umgreift eine der Flaschen, die
auf dem Tisch stehen] umso besoffener werde ich …

Person 3 (männlich):
Ach was.

Person 2 (weiblich):
Frische Luft? [Sie grinst auf:] Draußen, zwischen den Mülleimern!

Person 1 (männlich):
[Er steht, sich am Tisch festhaltend, langsam auf:] Wow! - Schu-, schummrig, oder nicht?

Person 3 (männlich):
[Er steht ebenfalls auf und begleitet Person 1 zu einer Bühnenseite mit den Worten:] Langsam,
langsam. [Er kehrt zum Tisch zurück und setzt sich.]

Person 2 (weiblich):
Schade. Ich hätte gern noch etwas Musik gehört …

Person 4 (männlich):
Tanzen könntest du auch ohne …

Person 2 (weiblich):
Yep! [Sie springt auf:] Ihr glaubt gar nicht, was man so alles hören kann [Sie lässt den Zeigefinger
um die Ohrmuschel kreisen und beginnt sich durch den Raum zu bewegen …].
[Während sie ohne Musik tanzt, durchaus nicht rhythmisch gleichmäßig: Schweigen; als sie
seitwärts verschwindet, kracht dort plötzlich die imaginäre Tür nach draußen]

Jemand aus der Kneipe:
[Er / sie betritt von der anderen Seite den Raum:] Wir müssen bald schließen. Letzte Runde. [Er /
sie kommt näher, bis an den Tisch, beugt sich vor und fragt:] Woher kommt ihr, wenn ich fragen
darf. Vorne gibts verrückte Spekulationen. [Er / sie grinst:] Seid ihr Aliens?

Person 3 (männlich):
Aliens? [Er lächelt:] So etwas würden wir uns nicht erlauben. - Und danke für den Hinweis. Wir
haben bereits genug getrunken.

[Jemand aus der Kneipe tritt ab]


3/
Ausstattung: Tisch, 4 Stühle, 4 Gläser, einige Flaschen, schwarz ausgehangen

Beteiligte: Personen 1-4

Musik: „Mood 1 + 2“ von Helge Bol (auf Youtube zusammen knapp 02:30:
https://www.youtube.com/watch?v=4TDHv5D0s48 − im folgenden Soundcloud-Set separat:
https://soundcloud.com/helge-bol/sets/trio-project

Auf dem zusätzlichen Monitor / den zusätzlichen Monitoren, kann diesmal der kurze Film
eingespielt werden, der fotografische Details der Gitarre relativ undeutlich, hochgezoomt präsentiert
Bewegung /Tanz: Es gilt, was bereits im Kontext von Modular darüber gesagt wurde.

[Personen 1 und 2 kehren zurück an den Tisch, wobei Person 2 der Person 1 hilft, die Richtung
nicht zu verlieren. Person 1 hängt mehr auf dem Stuhl, als dass er sitzt. Person 2 beginnt wieder zu
tanzen, ohne zu vergessen, zuvor die Kreiselbewegung ums Ohr zu machen. Alle Schweigen.]

Person 1 (männlich):
[Plötzlich reißt er sich hoch:] Ich kann auch ohne Elektrisch, -k. [Er begibt sich auf den Weg zur
Hinterbühne, öffnet umständlich den Vorhang und holt sich eine (zuvor nicht sichtbare)
Konzertgitarre von der Seite und setzt sich vor sein Modular-System. Die Lichter der Anlage sind
aus. Mit dem Rücken zu den anderen fingiert er „Mood 1 + 2“ (knapp 02:30).]

Person 2 (weiblich):
[Als sich Person 2 die Konzertgitarre gegriffen hat:] Jaaaa … [Während die beiden Stücke
erklingen, hört sie jedoch nur zu, ohne einen Schritt oder Ton zu wagen. Erst als die Musik beendet ist, beginnt sie wieder zu tanzen, diesmal ohne Kreiselbewegung, praktisch in Fortsetzung.]

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Samstag, 18. Juli 2015
„Storming“ - Szene 7 - Gespräch - Teile 1-2
Ausstattung: Tisch, 4 Stühle, 4 Gläser, einige Flaschen, schwarz ausgehangen
Beteiligte: Personen 1-4


1/
[Alle sitzen am Tisch, nach einem kurzen Schweigen]

Person 3 (männlich):
Das Mittelalter hat deutliche Spuren hinterlassen. Die Berufsordnungen, die Vereinigungen und Reglements. Die vielfältigen hierarchischen Ordnungen; eine Funk- als auch Sanktionsversessenheit. Und nun auch eine öffentliche Präsenz des Todes?

Person 4 (männlich):
Assoziativ sowieso. Betrachte doch die Altersentwicklung in der Gesellschaft. Irgendwann sieht man halt aus wie tot. Das ist unvermeidlich. Bis heute fehlt sehr weitgehend ein Naturverständnis.

Person 2 (weiblich):
[Gelangweilt:] Das ist doch Teil der Egomanie: Sich der Natur gegenüberzustellen, ist so ziemlich der größte Wahn, der von Primaten ausgelebt wurde und wird. Vielleicht blieb deshalb Tod ein schauriges Rätsel, ein ‚mysterium tremendum‘. Will man nicht zur Natur gehören, bliebe nur die Metaphysik. Dass das nicht klappt, ist leicht in beliebigen Spiegeln und auf Hirnscans zu sehen.

Person 1 (männlich):
Versuche das mal Kulturleuten begreiflich zu machen. Sie verwerfen eher die Logik, als einzugestehen, dass sich Worte ‚Natur‘ und ‚Kultur‘ nicht ausschließen können. Dieses ganze Kulturgesülze - hört das denn nie auf -, ein primativer Wahn [er grinst].

Person 3 (männlich):
Pri-ma-tiv? [Er lächelt.] - Würde sich denn etwas ändern, wenn Kulturelles natürlich wäre?

Person 2 (weiblich):
Natürlich ist es doch! Es gäbe keine andere Möglichkeit. Zu fragen wäre, was geschähe, falls dies begriffen würde!

Person 1 (männlich):
Keine Chance!

Person 4 (männlich):
Man hätte es gesellschaftlich einfach mit verschiedenen Sammelbegriffen zu tun, die unterschiedlich plausibel abgegrenzt sein können, aber in allen Fällen leicht entbehrlich wären. Niemand bräuchte ‚Kultur‘, um zum Beispiel über Künste sprechen zu können. Das antike Griechenland kannte ‚Kultur‘ überhaupt nicht. Die Lateiner bezogen sich bis weit ins Mittelalter auf ihre Äcker, metaphorisch allenfalls auf das spezifische Bildungspensum ihrer jungen, zumeist hochgestellten Eliten. Wollte man ein Bild über die alten Verhältnisse erkiesen … ja … ja … wie wärs mit einem dampfenden Ochsen!? [Er grinst.]

[Schweigen]

Person 3 (männlich):
Wenn aber in den Künsten die Vokabeln ‚Kultur‘ verzichtbar sind, weshalb könnten solche Lautkomplexe wichtig sein? Ist es nicht erstaunlich, dass die Bürgerlichen zumindest kulturell sein
wollten, wenn es für eine Begabung nicht reichte?

Person 2 (weiblich):
Da sagst du was. Keine Ahnung von künstlerischen Prozessen haben, doch richten wollen, welche Prozesse und Ergebnisse gut oder akzeptabel seien, mit Vorliebe im Kontext von aufgebahrten Traditionen, besonders gegenüber der Literatur. Aber diese Einsicht über ein ehemaliges bürgerliches Engagement ist doch auch bereits uralt. Der Stumpfsinn gefällt sich in der Ausübung von Deutung und Herrschaft.
Auch deshalb, gegen diese Tendenz, bildete sich doch eine Kulturwissenschaft aus, die sich nicht bloß auf Künste, sondern auf alles menschliche Tun bezieht - und keine fassliche Abgrenzung zum Tierreich findet. Kriterien wie Lernen und Weitergabe sind nicht nur im Hinblick auf Menschen relevant. ‚Kultur‘ ist phonetisch aufgeblasen, bloß ein bunter Luftballon, den jedes Kind zum Platzen bringen kann.

Person 1 (männlich):
Oder ein manisches, widerliches Etwas! [Er schüttelt sich.]


2/
Ausstattung: Tisch, 4 Stühle, 4 Gläser, einige Flaschen, schwarz ausgehangen
Beteiligte: Personen 1-4


[Alle sitzen am Tisch, nach einem kurzen Schweigen]

Person 4 (männlich):
Sind wir durch? Das Ergebnis ist doch mehr als bescheiden. Und nun? Warum sitzen wir noch hier? Was hält uns in den menschlichen Gesellschaften? Lasst uns weiterziehen. Es gibt einfach keine Hinweise, nicht einmal Anzeichen, dass sich eine andere Entwicklung als eine technische vollzogen hat noch vollziehen könnte. Das intellektuelle Niveau ist weiterhin steinzeitlich.

Person 3 (männlich):
Es gibt eine spannende biologische Hypothese über die Entwicklung der menschlichen Gehirne. Die Größe, auf die man unter Menschen in der Regel besonders stolz ist, wuchs nach und mit der Nutzung des Feuers, dem Zuführen bis dahin unzugänglicher Energie durch Kochen der Nahrung. Das Auffallenste an menschlichen Hirnen ist der enorme Energiebedarf. Und die entstandenen Wülste absorbieren den Überfluss. Ballone, angefüllt mit heißer Luft.

Person 2 (weiblich):
Ein Scherz?

Person 3 (männlich):
Wer weiß?

Person 2 (weiblich):
Seit einigen Jahrzehnten ist in sozialen Zusammenhängen ein Gerede über Evolution forciert worden: Ein typisches asprachliches Vorgehen, das sich an der Ausbildung von simplen Verallgemeinerungen und deren ausgedünnten Bedeutungen ergötzt. Doch sprachlich ist neben der
biologischen Wortbildung eine Metapher entstanden, die sich auf Soziales bezieht, als Fachbegriff missverstanden wird und erlaubt, unliebsames Leben sozial uszuscheiden. So einen Wahnsinn kann man auf der Zunge zerrinnen lassen.

Person 1 (männlich):
Als Nachtisch?! - Also ich will weg! Möglichst schnell!

[Schweigen]

Person 3 (männlich):
Wissen wollte ich, als ich euch zu diesem Treffen lud, ob wir etwas tun können, angesichts der gesellschaftlichen Entwicklungen. Dass ein Abhauen möglich ist, das war mir schon vorher klar.

[Schweigen]


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Hier geht es zur Szene 8: https://markammern.blogger.de/stories/2518395/

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Donnerstag, 16. Juli 2015
„Storming“ - Pause (zwischen Szene 6 und Szene 7)
Nachdem Betty eine erforderliche 'Distanz' ins Gespräch einbrachte, ist eine Pause angemessen. Wie es weitergehen wird: Wer weiß?

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„Storming“ - Szene 6 - Gespräch - Teile 1-2
Ausstattung: Tisch, 4 Stühle, 4 Gläser, einige Flaschen, schwarz ausgehangen
Beteiligte: Personen 1-4


1/
[Alle sitzen am Tisch, nach einem kurzen Schweigen]

Person 4 (männlich):
[Zu Person 1 gerichtet:] Entstammst du einer Insel der Glückseligen? Deine Musik ist, vielleicht mit Ausnahme des letzten Stückes, in dem eine Stimme fast ausgesperrt wird, so gegen gar nichts gerichtet. Auch die fast Ausgesperrte darf weiter ertönen. Alles findet Raum, bedingt durch die eigentümlichen Skalen, die eine alte Ordnung von orthodoxer Tonalität und Atonalität bzw. freier Tonalität über den Haufen werfen.
Assoziationen über Gesellschaftliches verbieten sich geradezu, auch wenn sich vielleicht in manchem Fall einige Vergleiche mit Computerspielen oder simulierten Weltraumreisen anbieten, nicht einmal eine radikale Reduktion auf besondere Spielweisen oder Klangentfaltungen ist zu entdecken. Der innere Frieden kann verwundern, und ein nahezu sorgloses Spiel, ohne dass in den Miniaturen auf Ungewöhnliches, besonders in der kleinmotivischen Entfaltung, verzichtet wird.

Person 1 (männlich):
Oh je - wenn sich Assoziationen über Gesellschaftliches nicht anraten lassen, weshalb dann die Eingangsfrage? Es wäre doch ein pathetisch aufgeladenes Fantasma, die Musik der Gesellschaft gegenüberzustellen und sie mit Deutungen handhabbar plattzumachen. So ein posttraumatischer, pathetischer Kram interessiert mich nicht, in der Musik schon gar nicht.
Es funktioniert einfach nicht. Wer Musik macht, verhält sich nicht politisch, egal was er komponiert oder improvisiert. Wer Literatur verfasst, egal worüber er schreibt, verhält sich nicht politisch. Dies kann durchaus von vielen Seiten missverstanden werden. Doch um Politik betreiben zu können, müsste man sich in einer Partei hocharbeiten, oder jemand hätte mit einer Waffe in den Bundestag zu ballern.
Das deutend fantasmagorische Erlebnis wäre, um die beliebt gewordenen Vokabel anzuführen, allenfalls Wahn. Dazu noch lächerlich. Ein billiger, jämmerlicher, feiger Ersatz.

Person 2 (weiblich):
Es freut mich, dass du auch die Literatur anführst. Es gibt schon wieder Zensur, im Namen einer ‚Political Correctness‘, die moralisch als auch ahistorisch unterfüttert ist, anstatt einen zeitgenössischen Erläuterungsbedarf einzugestehen, der auch die Historie umfasst. In Textfassungen völlig harmloser Kinderbücher wurde eingegriffen. Ein politischer Dirigismus mischt sich inzwischen fast überall ein. Das sind Merkmale einer sogenannten ‚absoluten‘ Diktatur.

Person 3 (männlich):
Demnach wäre es unmöglich für uns, in diesem Raum politisch zu agieren, besten- als auch schlechtestenfalls als untragbare Illusion. Uns blieben nichts als schlichte Äußerungen übrig. Auch dann, wenn sie gegen die Politik gerichtet sind. Mehr als eine unabhängige Meinungsbildung und -äußerung ließe sich nicht erreichen?

Person 3 (männlich):
Demnach wäre es unmöglich für uns, in diesem Raum politisch zu agieren, besten- als auch schlechtestenfalls als untragbare Illusion. Uns blieben nichts als schlichte Äußerungen übrig. Auch dann, wenn sie gegen die Politik gerichtet sind. Mehr als eine unabhängige Meinungsbildung und -äußerung ließe sich nicht erreichen?

Person 4 (männlich):
Eine relative Unabhängigkeit zu sichern, das wäre tatsächlich schon viel, sehr viel. Leider ist ein solches Kriterium wenig beliebt. Für Menschen, deren Leben überwiegend aus Beschäftigungen mit Musik, Literatur oder Performances besteht, laden sich gleichsam automatisch ihre Tätigkeiten und Produkte mit Leben auf, weil sie nichts anderes kennen noch können. Ein grober Unfug von intellektuell erscheinenden Künstlern, die sich und ihre Beschäftigungen zu wichtig nehmen. Um es auf eine Spitze zu treiben: es handelt sich um Wahnisten [er grinst].

[Schweigen]

Person 1 (männlich):
Wir gewinnen allmählich etwas Fahrt. - Eine Weltraumreise? Das irdische Sonnensystem ist doch nicht mehr als ein schlechter Witz. Und in wenigen Sekunden durchflogen. Lasst die egomanischen Primaten dumm und dämlich sterben. Mich würde dies nicht stören.

Person 2 (weiblich):
Hättet ihr Lust, auf eine Reise? Ich könnte euch mitnehmen. Mein Raumschiff hab ich hinterm Mond geparkt [sie lächelt]. Zu viel Müll im Dunstkreis der Erde. Die Primaten werfen ihren Schrott einfach aus den Fenstern. [Sie steht auf, breitet die Arme aus und simuliert eine langgezogene Kurve, und noch eine.] DAS ist ein Erlebnis …

[Währenddessen: Zuschauen, Schweigen]

Person 3 (männlich):
Die Dämpfungsmechanik ist aber erstaunlich ausgeprägt. Ich spüre so gut wie nichts [er lächelt].

Person 2 (weiblich):
Ich könnte natürlich umschalten, auf einen primitiveren, auf den Rumpel-Modus. [Zu Person 3 gewandt:] Vintage, falls dir das was sagt. Eventuell bist du schon zu lange unter Primaten? [Sie greift nach vorn, nach einem riesengroßen imaginären Hebel, und zieht ihn zurück - plötzlich fangen alle auf den Stühlen heftig zu zucken und zu wackeln; sie drohen sogar, von den Stühlen zu plumpsen, müssen sich abstützen].

Person 4 (männlich):
Bitte, bitte erspare uns das!

[Person 2 macht die Hebelbewegung rückgängig]

Person 1 (männlich):
Sorry, liebe Betty, aber das ist doch kindisch.

Person 2 (weiblich):
[Sie springt auf Person 1 zu, baut sich auf und stemmt dabei die Fäuste in die Seiten:] Na und?

Person 4 (männlich):
Und wer steuert jetzt?

Person 2 (weiblich):
[Sie springt auf Person 4 zu, stemmt erneut die Fäuste in die Seiten:] Der Autopilot! Eine solche Technik ist doch uralter Kinderkram. [Sie beugt sich vor sein Gesicht:] Bist du denn blöd?


2/
Ausstattung: Tisch, 4 Stühle, 4 Gläser, einige Flaschen, schwarz ausgehangen
Beteiligte: Personen 1-4


[Alle sitzen am Tisch, nach einem kurzen Schweigen]

Person 3 (männlich):
Nun gut. Also kein Aufklärungsprojekt. Es gibt bereits einzelne Leute, die stattdessen andere Utopien für Europa anstreben. Doch gegen ein ‚Reich Gottes‘? Das ist nach meinem Ermessen aussichtslos. Noch ne Utopie, und noch ne Utopie … Ohne zu begreifen, dass sie bereits gegen einen absoluten Wahnsinn Stellung beziehen.

[Schweigen]

Person 2 (weiblich):
Dann bleibt nur die Fantasie. So etwas haben aber nicht viele Menschen, und nur wenige können das entwickeln. Eine Aufforderung, jetzt sei mal kreativ, liefe ins Leere, unser Storming kann dies deutlich machen. Bislang ist von uns nichts, aber auch gar nichts erreicht.
Abstand wäre ungemein wichtig, damit man nicht fortwährend auf den eigenen Stumpfsinn starrt, Distanz, damit das Hirn die Möglichkeit erhält, im Hintergrund zu wirbeln, frei von all den Beschränkungen der ach so geschätzten Rationalität. Gebt dieser Tussi einen kräftigen Tritt in den Arsch!

Person 4 (männlich):
‚Fantasie‘ hört sich gut an, ist jedoch viel zu pauschal. Was sind denn die konkreten Probleme, zum Beispiel in den Künsten? Ich könnte die Schaffenden lediglich aufmuntern, nicht wegen materieller Not zu einem gesellschaftlichen Dienstleister zu werden, zu einem Verräter an sich selbst, stattdessen das lumpenbehangene Dasein stolz zu präsentieren. Besonders schlecht zu riechen, wäre kein Makel, sondern ein verfeinerbares Merkmal.
Die entstehende Bettlerklasse würde sich fantastisch ins ‚Reich Gottes‘ einfügen. Sie stärkte nicht nur den relationalen Wert aller anderen, den sonderbaren Individuen ließe sich sogar beim Sterben auf der Straße zusehen. Wäre dies kein Ereignis, kein dokumentier- und medial verwertbarer Event? Gott liebt die Armen und Sterbenden. Gott ist nicht tot, er IST der Tod!

Person 2 (weiblich):
Jetzt verwandelt sich Europa imaginär zu einem Friedhof. Danke Jens. Verstehst du? Das ist es, was ich meinte. Wir brauchen Bilder, die gegen den Stumpfsinn der buchhalterischen Zahlen votieren. Bilder, die Stellung beziehen. Wir müssen die Menschen erreichen können. Der verhängte Wahn muss riech- und schmeckbar sein. Und sei es mit Modder, Knochen und Tod.

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Hier geht es zur Szene 7: http://markammern.blogger.de/20150718/

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Mittwoch, 15. Juli 2015
„Storming“ - Szene 5 - mit Musik
Ausstattung: Tisch, 4 Stühle, 4 Gläser, einige Flaschen, schwarz ausgehangen, dazu: Hinterbühne mit einem riesigen (fingierten), mittig an der hinteren Wand platziertem Modular-System (mit vielen Kabeln und blinkenden Lichtern, gerne hochgebaut, mit seitlicher Leiter). Großer Flach-Bildschirm bzw. eine Projektion mit der Anzeige des Spektrogramms (Zeit-Frequenz-Diagramm) der laufenden Musik, etwas versetzt, eventuell auch seitlich auf der Vorbühne, zur besseren Sichtbarkeit fürs Publikum.
Beteiligte: Personen 1-4 (Die anvisierten Bewegungen zur Musik sollten, wenn möglich, etwas aus den Konventionen fallen, nicht direkt auf Tanz, ob klassisch oder pophaft, verweisen, eine choreographische Anleitung wäre vielleicht hilfreich.) Leute aus der Club- und Kneipen-Szene (regional typisch).
Musik: „Modular“ (1-6: https://soundcloud.com/helge-bol/sets/modular) von Helge Bol - Club- und Kneipenmusik (regional typisch).

[Modular 1 (2:42 - dreiteilig) von Helge Bol erklingt. Die Personen 2-4 fühlen sich während des ersten Teils der Musik (bis ca. 1:10) genötigt, herauszufinden, woher die Musik stammen könnte, sehen u.a. nach vorne durch den noch geschlossenen Vorhang, seitlich und mittig. Suchgeräusche.
Mit dem Ende des ersten Teils von Modular 1 öffnet sich der Vorhang, die Personen 2-4 begegnen sich auf der Bühne, suchen weiterhin, tauschen Zeichen aus, bewegen sich zur Musik, bis sie sich gegen Ende von Teil 2 (bis ca. 1:44) gemeinsam die Hinterbühne öffnen und der Vorhang aufgeht.
Mit dem Beginn des dritten Teils wird das Modular-System sichtbar. Ebenfalls das Spektrogramm (auch auf der seitlichen Vorbühne, vielleicht dort schon seit Beginn der Musik). Vor dem Modular-System sitzt Person 1, mit dem Rücken zu den anderen und zum Publikum. Die Personen 2-4 gehen vorsichtig in den entdeckten Raum, schauen irritiert, auch der Person 1 über die Schulter, sogar ins Gesicht, hören aber auch, was gespielt wird, bewegen sich dazu.
Modular 2 (2:13) beginnt, stilistisch different …]

Person 2 (weiblich):
[Sie bleibt am gezeigten Spektrogramm stehen:] Er kommuniziert? - Mit wem?

[Schweigen, Bewegen]

Person 3 (männlich):
Das könnte auch Musik sein [er lächelt].

[Schweigen, Bewegen]

Person 4 (männlich):
Aus Skalen, sogar verschiedenen.

[Schweigen, Bewegen]

Person 2 (weiblich):
[Erstaunt:] Ist das vielleicht Jazz?

[Schweigen, Bewegen]

Person 4 (männlich):
Vor allem, zumindest hört es sich so an, ein wahnsinniger Spaß.

[Schweigen, Bewegen]

Person 2 (weiblich):
Ein Wahnsinn?

[Schweigen, Bewegen]

Person 3 (männlich):
Ein Bekenntnis zum Leben [er lächelt]?

[Schweigen, Bewegen]

Person 4 (männlich):
Und seiner mir unbekannten Heimatwelt [er grinst].

[Schweigen, Bewegen]

[Modular 3 (2:13) beginnt, erneut stilistisch different …]

[Schweigen, Bewegen]

Person 2 (weiblich):
Ein cineastisch anmutender Wahnsinn.

[Schweigen, Bewegen]

Person 4 (männlich):
Es gibt Heimatwelten, die sind Lichtjahre entfernt [er grinst].

[Schweigen, Bewegen]

[Modular 3 (2:13) endet - Plötzlich ziehen Leute aus der vorderen Kneipe durch den Raum, nicht bloß in einer einfachen Reihe, begleitet von ‚ihrer‘ Musik. Die Personen 2-4 sind irritiert, Person 1 gesellt sich zu diesen. Während Personen 1-4 schweigen und schauen, kann es unter den Szene-Leuten lauter und ‚bunter‘ zugehen, bis der Troubel ebenso plötzlich endet.]

Person 4 (männlich):
Dieser Spaß sei ihnen gegönnt.

Person 2 (weiblich):
Haben die auch unterzeichnet?

Person 1 (männlich):
Ach komm, hätte ich keinen Lärm produziert, wären die niemals erschienen.

[Sie setzen sich an den Tisch. Schweigen]

Person 3 (männlich):
Spielst du uns noch was?

[Plötzlich ziehen Leute aus der vorderen Kneipe erneut durch den Raum, sogar über den Tisch; rasch sind sie jedoch wieder verschwunden.]

Person 1 (männlich):
Ich kann es versuchen. Ob es klappt, wäre eine momentan unbeantwortbare Frage [er lächelt].

[Person 1 geht zu seinem Modular-System zurück. Als erwarte er ein erneutes Auftauchen der Szene-Leute, dreht er sich um, doch als alles ruhig bleibt, setzt er sich. Modular 4 beginnt, gefolgt von 5 und 6].

[Schweigen, Bewegen]

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Hier geht es zur Szene 6: http://markammern.blogger.de/20150716/

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Montag, 13. Juli 2015
„Storming“ - Szene 4 - Gespräch - Teile 1-2
Ausstattung: Tisch, 4 Stühle, 4 Gläser, einige Flaschen, schwarz ausgehangen.
Beteiligte: Personen 1-4

1/
[Person 4 (männlich) sitzt am Tisch, Personen 1-3 kommen in folgender Reihenfolge von draußen hinzu: Person 1 (männlich), Person 3 (männlich), Person 2 (weiblich).]

Person 2 (weiblich):
[Sie bleibt plötzlich stehen, atmet durch, baut sich mächtig auf und kreischt:] Reich Gottes!!

[Die anderen erschrecken ... Ein „Hohoo“ ist von Person 4 zu hören.]

Person 2 (weiblich):
[In ruhigerem aber weiterhin lautem Ton:] Die Menschheit ist des Wahnsinns! Falls es eine anthropologische Konstante gibt, dann diese!

[Erstauntes Schweigen]

Person 2 (weiblich):
[In ruhigerem und normalem Ton:] Versteht ihr nicht? [Lauter:] Wahnsinn, Wahnsinn! - [Leiser:] Nicht Vernunft! Sowas wie Vernunft könnte allenfalls aus irgendeinem Unfall resultieren. Aber bislang hat keine sogenannte Vernunft unwiderlegt überdauert. Nur Makulatur. [Etwas lauter:] Kapieren wir es endlich. [Laut:] Das menschliche Metier ist der Wahnsinn! [Leise:] Dazu kann sogar gehören, die Gewissheit zu haben, über Vernunft zu verfügen oder vernünftig zu sein.

Person 3 (männlich):
[In normaler Lautstärke:] Alternierend mit Stumpfsinn [er lächelt].

Person 2 (weiblich):
Toll! Sowas fehlte mir noch! Befreien wir die Psyche aus ihren konventionellen Klammerungen! Ich postuliere als graduelle und alternierende Erlebenskonstanten: Wahnsinn und Stumpfsinn! [Lauter:] Und wir müssen aus Letzterem raus! [Leiser:] Schleunigst [sie grinst].

Person 4 (männlich):
Wow! Ein hervorragender Blockadenlöser [er lacht auf]!

Person 1 (männlich):
Halt! Und was sollte das mit ‚Reich Gottes‘?!

Person 2 (weiblich):
[Zu Person 1:] Jetzt hab dich nicht so. Peter erläuterte mir draußen den neoliberalen Wahnsinn als einen mittelalterlichen Kampf ums Reich Gottes. Ok? Und der wird in schier unermesslicher Breite geführt. Überall in der Gesellschaft und weit über Deutschland hinaus. Ich musste dies einmal rausschreien, um wieder atmen zu können.

Person 4 (männlich):
Wunderbar! Möchte noch jemand?!

Person 1 (männlich):
[Zu Person 2:] Erreicht ist damit nicht viel. Der Sache nach, worum soll es gehen? Um die Rückeroberung der abgeschmackten bürgerlichen Kulturstandards, mit denen wir ebenfalls nichts anfangen konnten? Wir sind, vielleicht hat Jens gar nicht unrecht, einfach andere Wesen.

[Schweigen]

Person 1 (männlich):
Ich stecke in einem Zwiespalt: Die alte bürgerliche Welt buchhalterisch zugrunde richten zu sehen, lässt mich Sympathie empfinden, mich enttäuscht die entstandene öffentliche Seiche. Interessantes geschieht weiterhin an den unbeachteten Rändern, von denen es heißt, sie seien nicht massentauglich. Was hat sich denn für uns geändert? Faktisch nichts. Sehe ich mal von einem Raum [er hebt einen Arm] wie diesem ab. Und der wird bald verfallen.

[Schweigen]


2/
[Nach einem Schweigen (und Herumhantieren)]

Person 3 (männlich):
Bei aller möglichen Schadenfreude: Immerhin hätten wir für uns so etwas wie einen Anfang. Es gäbe zwei verschiedene Ausrichtungen, die thematisierbar wären: Die gesellschaftliche Entwicklung - und unsere Neugierden.

Person 2 (weiblich):
Das hat so viel miteinander zu tun, wie, wie das ehemalige Entrée und die upgefuckte Kneipe.

Person 1 (männlich):
Ich habe nicht einmal was mit diesem Fuck zu tun.

Person 2 (weiblich):
Ja ja, niemand von uns.

Person 4 (männlich):
Na und? Es hätte mich überrascht. Viel mehr als diese Flaschen zu bestellen, wäre vorne kaum möglich. Jeder von euch ist halt ein identitätsloses Etwas [er grinst]. Das ist völlig absurd, für die Bürgerlichen wie für die Szenerianer. Dieser sonderbare Antrieb, Identitäten auszubilden, ist einfach undurchschaubar. Na und? Es fehlt an Sprache, und sobald man fragt, gibts keine Antwort. Nicht einmal solche Fragen werden verstanden, weil Sprache überhaupt nicht interessiert. Na und? Bleibt doch locker!

[Schweigen]

Person 2 (weiblich):
Vielleicht fühlen die sich einsam?

Person 1 (männlich):
‚Fühlen‘ trifft. Auch ihr sogenanntes ‚Denken‘ ist ja nicht mehr als ein psychisches Erleben überlieferter Vokabuleien, das ihnen sogar Kopfschmerzen bereiten kann. Es sind Menschen. Was erwartet ihr?

[Schweigen, Herumhantieren, Schweigen]

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Sonntag, 12. Juli 2015
„Storming“ - Szene 3 (Nebenszene) - Gespräch
Ort: Vorbühne (Seiten- bzw. Hinterhof)
Ausstattung: regional übliche Mülleimer, schwarz ausgehangen (oder mit gemalten Hauswänden, falls die Zeit einen Wechsel erlaubt)
Beteiligte: Personen 2-3

Person 3 (männlich):
Geht es besser?

Person 2 (weiblich):
[Sie atmet durch.] Bald.

Person 3 (männlich):
Was ist geschehen?

Person 2 (weiblich):
[Sie atmet erneut durch.] Ich weiß nicht. Ich bekam plötzlich keine Luft. [Sie atmet erneut durch.]

[Schweigen]

Person 2 (weiblich):
Ich habe eine Frage. Du hattest von den Wirtschaftskrisen im 20. Jhd. gesprochen. [Sie atmet erneut durch.] Wahrscheinlich ist das Platzen der Finanzblasen am Anfang des 21. Jhds. ebenfalls einzubeziehen. Der Vorwurf der Metaphysik kritisiert vermutlich die mangelhafte Erklärbarkeit durch die Standard-Ökonomie. [Sie atmet erneut durch.] Zig Faktoren wurden nicht berücksichtigt … Aber was kommt nun auf uns zu? Und wie hängt dies mit den Krisen zusammen? Ich erinnerte mich an die alte Zauberformel: ‚Ceteris paribus‘! Die fiel mir in diesem mittelalterlichen Kontext ein: ‚unter gleichbleibenden Bedingungen‘. [Zu ihm gewandt:] Richtig? [Er nickt und lächelt dabei.]

Person 3 (männlich):
Genau, es war ein großes ökonomisches Problem, viele relevante Faktoren nicht in die Berechnungen einbeziehen zu können, deshalb, wie du formulierst, diese Zauberformel. Sie ließ draußen, was sich nicht integrieren ließ. [Er grinst.] Ein Schutzzauber.
Nun lässt sich die Reaktion aus dem neoliberalen Lager auf die Krisen und die Vorwürfe absehen: Was nicht passt, wird passend gemacht!

[Schweigen]

Person 2 (weiblich):
[Sie atmet erneut durch.] Dann haben wir derzeit keine Chance das Mittelalter zu verlassen, und es gibt keine Aussicht auf … ?

Person 3 (männlich):
Ich würde sagen, wir steuern auf ein Reich Gottes zu, die neoliberale Utopie!

Person 2 (weiblich):
[Sie schüttelt auffallend heftig den Kopf - atmet erneut durch.] Das ist doch Wahnsinn?!

Person 3 (männlich):
Nicht wahnsinniger als vieles andere, das Menschen im Laufe der Vergangenheit angestellt haben.

[Schweigen]

Person 3 (männlich):
Ich erinnere mich im Vorfeld des Bologna-Prozesses und einer öffentlichen Zur-Schau-Stellung von ‚Lebenslangem Lernen‘ an viele Institutionen und Institute, die an der Maginalisierung von Bildung mitarbeiteten: an der Zerlegung alter Bestände in Häppchen, um die anzugehende Verschulung, die sich ja auf ein ganzes Leben verteilen ließ, zu erleichtern. Das war ein Schock für mich! Das Studium sollte nur noch eine schmale Basis für ein späteres privates Engagement bilden, privat finanziert. Und dennoch verstand ich damals nicht, ich war wohl noch zu jung, die Relevanz. Bildung war ein zentrales Thema der privatwirtschaftlich orientierten Revolutionäre.
Die Revolution war und ist viel breiter angelegt, als man glauben möchte. Sie betrifft fast alle gesellschaftlichen Bereiche …

Person 1 (männlich):
[Er kommt hinzu.] Gehts euch gut? [Sie amtet erneut durch, er nickt.] Ihr werdet bereits vermisst. Wollt ihr nicht wieder zu uns stoßen?

[Person 1 geht schweigend vor.]

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Samstag, 11. Juli 2015
„Storming“ - Szene 2 - Gespräch - Teile 1-2
Ausstattung zu Beginn: Tisch, 3 Stühle, 3 Gläser, einige Flaschen, schwarz ausgehangen, ein Stuhl und ein Glas kommen hinzu.
Beteiligte: Personen 1-4


1/
[Nach Schweigen (und Herumhantieren)]

Person 4 (männlich) [hereinkommend]:
Da seid ihr ja, ihr Aliens! Es war gar nicht einfach, euch zu finden. Und was ist das hier? [Er blickt und zeigt durch den Raum.]

Person 1 (männlich):
Hol dir erstmal einen Stuhl von vorne ...

Person 2 (weiblich):
Und ein Glas ...

Person 4 (männlich):
Wo bin ich hier gelandet? Was für ein Hintersaal. Hier könnte man Theater spielen, würde man es drauf ankommen lassen ...

Person 3 (männlich):
Besorg dir erstmal Stuhl und Glas.

[Er holt sich einen Stuhl und ein Glas von draußen und setzt sich zu den anderen.]

Person 4 (männlich):
Ist das ein ehemaliger Theatersaal? Oder das, was davon übrig blieb? Wird der nicht genutzt?

Person 2 (weiblich):
Fehlender Brandschutz, kaputte Heizung und ... wir mussten unterschreiben, den Raum auf eigene Verantwortung zu betreten.

Person 4 (männlich):
Ooch, erstaunlich [er blickt erneut durch den Raum], ist doch angenehm hier!

Person 2 (weiblich):
Deine Unterschrift fehlt noch. [Sie schiebt ihm den Zettel zu.]

Person 4 (männlich):
[Er liest die Vereinbarung] Und ihr seid euch sicher, dass wir den Abend überleben? [Er schaut auf.]

Person 3 (männlich):
Unterschreib endlich.

Person 4 (männlich):
Hat jemand einen Stift? [Er blickt in die Runde]

Person 2 (weiblich):
[Sie schiebt ihm noch einen Stift hinterher.]

Person 4 (männlich):
Danke. [Er unterschreibt.] Ist das rechtens?

Person 1 (männlich):
Völlig egal. Ohne diesen Zettel und unsere Krakel hätte man uns nicht hineingelassen.

Person 4 (männlich):
Hätte ein Tisch vorne nicht gereicht? Weshalb musste es dieser Raum sein?

Person 3 (männlich):
Die Ruhe! Es ist nur unser Geklapper und Geplapper zu hören. Das war es uns wert. Nicht einmal irgendeine Kneipenmusik.

Person 2 (weiblich):
Kannst du noch ein paar Flaschen besorgen? Inzwischen kennst du ja den Weg.

Person 4 (männlich):
Von diesem Zeug? [Er steht auf, bleibt am Ausgang kurz stehen] Hab ich auch wegen dieser Flaschen unterschieben? [Geht und kommt mit einigen Flaschen zurück, postiert sie zu den anderen auf dem Tisch.]

[Schweigen]

Person 3 (männlich):
[Zu Person 4 gewandt:] Danke, dass auch du gekommen bist. [Zur Runde gerichtet:] Jetzt sind wir alle beisammen. Auch einen Dank an euch. Ich wollte dieses Treffen, um zu fragen, ob jemandem angesichts der neoliberalen Revolution, die nicht bloß eine ökonomische ist, sondern eine gesellschaftliche, etwas einfällt, etwas, das man tun kann.

[Schweigen]

Person 2 (weiblich):
Ich kann das Wort nicht mehr hören, ‚neoliberal‘. Beobachtet man die öffentliche Diskussion, handelt es sich um nicht mehr als um eine ständig wiederholte Floskel. [Zu Person 3 gewandt:] Weißt du mehr?

Person 3 (männlich):
Im Grunde ist es einfach, wobei man über mögliche Bedeutungsanklänge der Vokabel kein Aufhebens machen sollte. Die allgemeine Ausrichtung gilt dem privatwirtschaftlichen Engagement und ist gegen einen aktiven Staat gerichtet. Alles und jedes wird unter marktwirtschaftlichen Kriterien betrachtet und berechnet. Das vereinfacht die Sichtweise, reduziert den Wert eines Engagements letztlich auf die Resultate der Buchhaltung und lässt eventuell mittelfristig die Steuerlast der wirtschaftlich Erfolgreichen senken. Keine Sachfragen mehr, keine Diskussionen, es zählt ausschließlich das wirtschaftliche Ergebnis.
Als kreativ gilt, wer sich die Buchhalternase mit Tonnen von Kokain stopfen könnte, weil er sonst nicht wüsste, wohin mit seinem Geld. Auch Kreativität ist einzig aufs Geldmachen bezogen, auf die Tricks und Finessen, die ein Anhäufen erlauben. Ein anderes Kriterium gibt es nicht mehr. Das gesellschaftliche Gerede von Erfolg, egal ob es um Reichtum oder Zusprache geht, bildet übrigens einen Bodensatz einer solchen Herangehensweise. Sachfragen spielen dabei keine Rolle.

[Schweigen]


2/
[Ausstattung: Tisch, 4 Stühle, 4 Gläser, einige Flaschen, schwarz ausgehangen.
Beteiligte: Personen 1-4]


[Nach einem Schweigen (und Herumhantieren)]

Person 1 (männlich):
Ich versteh nicht ganz, was du willst. Eine Gegenrevolution anzetteln? Mit uns Elenden? Einem kümmerlichen Haufen? Solln wir durch die Gegend ballern, um möglichst alte Werte zu erhalten helfen? Es gab und gibt bereits Rückbesinnungen genug, zum Beispiel im Rahmen der Neotonalität und des Minimal. Nicht selten mit einem schier unerträglichen Pathos auf einem singulären Ton, oder mit Schleifen, die laufen und laufen und laufen, als seien bereits alle, die sie anhalten könnten, tot. Ich müsste gestehen, dass ich solche Rückbesinnungen aufgeblasen und peinlich finde. Musikalisch ist dies bestenfalls viel, viel zu wenig.

Person 3 (männlich):
Das hört sich an, als sei das Weltende schon hinter uns, das soziale. Nein, deine Erläuterung bietet tatsächlich keine Perspektive. Da gebe ich dir Recht. So kämen wir nicht weiter.

[Schweigen]

Person 1 (männlich):
Dann sag doch mal, was du dir vorstellst.

Person 3 (männlich):
Leider bislang nichts. Ich frage euch. Eventuell, mehr als ein mögliches Brainstorming fiel mir nicht ein. Eventuell ist es längst zu spät, steuern wir auf die Gesellschaft eines Finanzadels zu. Auf Bedingungen wie in den USA. Dort greift der Finanzadel auch in die Politik ein, innerhalb der Politik als auch durch Lobbyarbeit, über das initiieren von Gesetzesvorhaben und deren Steuerung. Mit demokratischem Verhalten hat dies nicht mehr viel zu tun.

[Schweigen]

Person 2 (weiblich):
Nichts, nichts als eine Blockade im Gehirn.

[Schweigen]

Person 4 (männlich):
Mannomann! Worüber habt ihr zuvor gesprochen?! Vielleicht hilft eine Auffrischung, um Blockaden zu lösen. Und ich bekomme vielleicht einige Hinweise darüber, was euch unabhängig von Peters Frage beschäftigt. Gibt mir einer von euch einige Andeutungen?

Person 2 (weiblich):
Musik, Literatur, Wirtschaft − und Bildung, hätte ich fast vergessen, obgleich gerade diese vermisst wird. Eine Herausforderung kindlicher Neugierde.

[Schweigen]

Person 4 (männlich):
Mmmm. Kindliche Neugierde?

[Schweigen]

Person 4 (männlich):
Für ein Ausleben von Neugierde wären Künste und Wissenschaften prädestiniert. Eine Buchhaltung mit Sicherheit nicht. Doch je mehr der Laut ‚Kultur‘ fällt, um so weniger ist von Künsten die Rede. Und in den Wissenschaften ist Grundlagenforschung kaum noch finanzierbar. Berechenbar machen, praktische Relevanz, auch dann, wenn es nicht um die Berechnung einer Sache, sondern um deren Erleben unter Konsumenten geht. Diese Verwechslung ist einkalkuliert! Und sie muss, sollen Drittmittel fließen, unter die Labortische fallen. Wie misst man Kreativität: anhand ihres Erfolgs!

[Schweigen]

Person 1 (männlich):
Und nun?

[Schweigen]

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Freitag, 10. Juli 2015
„Storming“ - Szene 1 - Gespräch - Teile 1-3
Ausstattung: Tisch, 3 Stühle, 3 Gläser, einige Flaschen, schwarz ausgehangen
Beteiligte: Personen 1-3


1/
[Nach einem langen Schweigen (und Herumhantieren)]

Person 1 (männlich):
Nehmen wir Musik …

Person 2 (weiblich):
Wie - und wohin?

Person 1 (männlich):
Darf ich hier nicht normal sprechen?

Person 2 (weiblich):
‚Normal sprechen’? Was könnte dies sein? Das umgangssprachliche Geschehen, das verlautet, als hätte jemand etwas gesagt?

Person 3 (männlich):
So kommen wir nicht weiter, im Gespräch. Nicht mal zu einem Anfang!

Person 2 (weiblich):
Weshalb wäre anzufangen? Und wie, ohne Sprache.

Person 3 (männlich):
Sollten wir uns anschweigen? Ist denn Umgangssprache nicht besser als gar keine?

Person 1 (männlich):
Wäre es verfehlt, zum Beispiel über Musik zu sprechen? Wäre dies angemessener formuliert? Es gibt genug, das mich nervt, ich will nicht noch über Wörter streiten.

Person 2 (weiblich):
Erst durch Worte wäre erfahrbar, worüber gesprochen wird, oder gesprochen werden könnte. Eventuell besteht lediglich die Möglichkeit zu raunen und zu jaulen? Sogar davon verstehen wir nichts, berücksichtigten wir die übrige Tierwelt. ‚Normal‘ zu sprechen unterliegt den schwierig zu vermittelnden Konventionen, die völlig unerheblich sein könnten. Nehmen wir Musik: Für die meisten Menschen ist dies kaum mehr als ein Bauchgefühl, egal ob ein pophafter Bass die Magenwände vibrieren lässt oder romantische Streicher das Hirn vernebeln. Konventionell gibt es gar keine Musik, ist von Musik nicht Rede …

Person 3 (männlich):
Ich schätze, Karl wollte auf Ähnliches hinaus. Um dies mal zu erläutern: Die Leute sprechen nicht über Musik, die ist für sie gar nicht fassbar, lediglich über ihre Gefühle, ihr Erleben.

Person 1 (männlich):
Niemand muss mich erläutern. Zeitgenössische Musik ist öffentlich nur noch in mitternächtlichen Radioprogrammen zu hören, weil kaum jemand etwas damit anfangen kann, allenfalls einige aussterbenden Fach-Redakteure, die mal studiert hatten.

Person 2 (weiblich):
Und wer weiß etwas über Sprache? Ich höre allenfalls DUDEN, DUDEN. Als sei der für irgendetwas gut! Wie könnte über Musik gesprochen werden, wenn von Sprache nichts bekannt ist, bestenfalls ein paar redaktionell aufbereitete Vokabeln und Regeln.

Person 3 (männlich):
Hat die Bildung versagt?

Person 1 (männlich):
Seien wir doch ehrlich: Es gibt gar keine. Alle kindliche Neugierde wird in vermittelten Konventionen erstickt. Wenn dies Bildung wäre, müsste über ein Plattkloppen gesprochen werden.Nur dies ist, darin ist sich die Politik weitgehend einige, gesellschaftlich nutzbringend. Gestritten wird über das Wie.

[Schweigen]

----------
2/
[Nach einem Schweigen (und Herumhantieren)]

Person 3 (männlich):
Es gibt übrigens unmusikalische Menschen, sogar tanzend. Die arbeiten richtig hart, schwitzen sogar, treten dennoch daneben, wirklich, neben jeden Takt, so laut er auch geschlagen wird. Auch Krach kommt nicht an.

[Schweigen, die ersten Zigaretten werden angezündet]

Person 2 (weiblich):
Musik ist gesellschaftlich unwichtig, wenn kaum jemand etwas davon versteht, wenn die ansprechbaren Leute bloß durch ihre Gefühle rumpeln oder schweben … Nicht viel anders als gegenüber der Literatur.

Person 1 (männlich):
Musik ist eine Droge! Stille oder Umgebungsgeräusche werden doch kaum noch ertragen! Schau dir die Kopfhörergestalten auf den Straßen an. Deshalb verändert sich in der sogenannten Popkultur allenfalls der Stil, von den Haaren bis zu den Zehennägeln. Die Musik bleibt wie eh und je. Nur die schäumende Wirkung zählt, und mit ihr die jeweilige Farbe.
Wäre es abwegig, anzunehmen, diese in besonderer Weise industriell erzeugte Abhängigkeit führte in eine Beschaffungskriminalität, die den Niedergang der gesamten Branche beschleunigt?

Person 3 (männlich):
Gar nicht so übel, lass sie krepieren, die Industrie. Wären doch nicht alle aus der Branche betroffen.

[Schweigen]

Person 2 (weiblich):
Könnte Literatur eine Droge sein? Und falls dies möglich wäre, wie ließe sich dies erläutern? − Hilft mir jemand? − Niemand? − Ich würde allenfalls auf ein Verschlingen von Genre tippen, so wie man Burger in sich hineinstopft, im gierigen Verlangen nach Fett und Zusatzstoffen. Das würde zur Popmusikdroge passen können, doch im Unterschied zur Musik, von der vielfach nichts bekannt ist, gibt es in Bezug auf Literatur wenigstens einige konditionierte Vokabeln: ‚Geschichte‘ zum Beispiel, aber dieses Wort bezieht sich oft indifferent auf die Handlung als auch die Beschreibung. Es gehört vermutlich zum Leben vieler Menschen, dass Worte und nicht-sprachliche Sachverhalte nicht systematisch geschieden werden.

Person 3 (männlich):
Eine der wirren Konventionen, die gar nicht leicht zu lernen sind?

Person 1 (männlich):
Bist du inzwischen Schriftstellerin, offiziell, oder …

Person 2 (weiblich):
Ich bin keine. Und ich will auch keine werden. Diese Sorgen um ein Auskommen, wegen dem Internet und all dem Digitalen, das würde ich nicht aushalten. An eine Weiterentwicklung von Literatur wäre nicht zu denken. Neues würde nur von den Sorgen ablenken.
Schriftsteller sind Urheber, ähnlich wie Komponisten, haben auch ähnlich schwer zu tragen. Nicht nur an den alten Druckexemplaren. Der Markt verlangt Romane, nicht sonderlich komplexe, aber charmant oder aufregend oder beides. Rasch fassbar. Ob auf der Couch, im Bett oder auf der Parkbank. Solche Lümmel-Merkmale würden mich nicht interessieren.
Einen Einfall muss man allerdings immer noch haben, so etwas wie eine Skizze, die ahnen lassen könnte, was draus wird, einen Strang, an dem ein Schriftsteller aufhängbar wäre, ob von Lesern oder Kritikern, falls es mit dem Stellen der Schrift nicht wunschgemäß klappt.
Genug um Abstand zu nehmen. Schriftstellerin zu werden, wäre das Letzte, das Erbärmlichste, das ich mir vorstellen könnte. Den Strick würde ich mir bereits im Anfang eines Romanprojekts geben, damits ein rasches Ende nimmt.

Person 1 (männlich):
Du erfülltest immerhin eine gesellschaftliche Funktion, wärst legitimiert. Hingegen wäre eine Überfrachtung von Schriftstellern mit Ansprüchen, die sie nicht selber erheben, völlig irrelevant …

Person 2 (weiblich):
Hab ich das getan?

Person 1 (männlich):
Was?

Person 2 (weiblich):
Überfrachten?

Person 3 (männlich):
Sprach sie nicht lediglich darüber, was sie machen bzw. nicht machen würde? Das hatte zwar etwas Hinterhältiges …

Person 1 (männlich):
Ok ok.

[Schweigen]

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3/
[Nach einem Schweigen (und Herumhantieren)]

Person 1 (männlich):
Ein gesellschaftliches Nutzvieh zu sein, ist unter Menschen eine geschätzte Aufgabe …

Person 3 (männlich):
Sind wir keine Menschen?

Person 1 (männlich):
Wer weiß. Verfügst du über eine amtliche Bestätigung?

Person 2 (weiblich):
Eine abgegrenzte Funktion inne zu haben, ist gesellschaftlich durchaus erstrebenswert, in der Arbeit als auch privat. Die Aufgabenteilungen machen das Leben leichter. Alles wird gesplittet: vom erlernbaren Wissen bis zur Verantwortung ...

Person 3 (männlich):
Bis etwas mit etwas zusammenhängt, dann entsteht ein überraschtes Achselzucken. Bedenkt die Wirtschaftskrisen des 20. Jhds. Rein ökonomische Betrachtungsweisen erzeugten aus der Ökonomie eine mathematische Metaphysik. Und dies im 20. Jhd. Ein dunkles Mittelalter, unter dem strahlend reinen Licht der verbogenen Linse. Aus soviel haarsträubender Dummheit ließe sich nicht einmal n Slapstick machen.

[Schweigen]

Person 1 (männlich):
Was machen wir hier?

[Schweigen, Stöhnen, Achselzucken, Stöhnen, Schweigen]

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