Sonntag, 22. November 2020
Engine X, 3.4
Engine X hatte das Büro von Heinz verlassen. Wütend geht sie zur Tür, die zum Studio der Visagistin führt, klopft an und betritt unaufgefordert den Raum. Die Visagistin erschreckt, zieht eilig einen Vorhang zu, der den hinteren Teil des Studios abtrennt.

Engine X (überrascht):
Was machen Sie?

Visagistin (ebenfalls überrascht):
Ich … Nichts Besonderes … (Sie wischt ihre Hände über eine weißen Kittel, den sie trägt.) Ich hatte lediglich etwas geprüft.
Und geht es ihnen nun besser?

Engine X (zunächst erstaunt):
Besser? Nein, viel schlechter! (Bedrückt) Ich habe das unbestimmte Gefühl, dass im Laborkomplex etwa Unheimliches passiert.

Visagistin (beruhigend):
Das ist durchaus menschlich. Unter unbestimmten Gefühlen leiden sehr viele Menschen. Und dann kommen sie auf äußerst dumme Gedanken. Ich hoffe, ihnen bleibt dieser zweite Teil erspart.

Engine X (erregt):
Ich komme aus einem irritierenden Gespräch mit Heinz und Ralph. Und ich weiß nicht, was ich davon zu halten habe. Als seien diese Herrschaften nicht ganz bei Sinnen. Heinz sprach von Milliardärskindern, für die ich entwickelt worden sei, Ralph von einem Heimcomputer, einem ultra-modernen Atari 1040 mit disneykompatibler Bedienungsoberfläche. Was soll das?!

Visagistin (ruhig erläuternd):
Wir sind zwar in einem Laborkomplex, aber Geld verdienen müssen wir dennoch. Und sie sind eines unserer Produkte. (Sie macht eine Pause.) Es gibt weitere Entwicklungen, die ebenfalls wie Menschen aussehen, aber zu anderen Arbeiten dienen sollen. (Sie reißt den Vorhang auf, zu sehen sind Köpfe und Körperteile) Ich modelliere jeweils die Körper.

Engine X (erschreckt):
Das sieht aus … wie auf einer Schlachtbank!
Für andere Arbeiten?
Ich verstehe kein Wort!

Visagistin (unsicher erläuternd):
Heinz ist unser Geschäftsführer. Er ist dafür verantwortlich, dass Kunden und dass Geld reinkommt. Mit unseren Produkten erfüllen wir deshalb Kundenwünsche. Kein Kunde, kein Geld. Wir prüfen gerade, an wen wir sie verkaufen können … Sie könnten eine prima Dienstleisterin sein. Und berücksichtigen wir die Kosten, die wir mit ihnen hatten, bleiben nur besonders zahlungskräftige Kunden übrig, z.B. Prinzen oder Scheichs.

Engine X (trotzig):
Ab sofort bin ich zu nichts nützlich!

Visagistin (erläuternd):
Dann bliebe ihnen nur übrig, als Abfall zu enden. Sie hätten es nicht verdient, zu existieren. Wollen sie vielleicht im Sondermüll geschreddert werden?

Engine X (desillusioniert):
Das ist doch die Höhe! Ich schäme mich, wie ein Mensch zu sein. (Sie verlässt schnell das Studio und setzt sich im Besprechungsraum auf den Boden einer Ecke, presst die Hände vor ihr Gesicht.)

(Vorhang)

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